Eine gefährliche Millionenklage
Das Petrochemieunternehmen Formosa Plastics hat einen taiwanischen Wissenschaftler wegen Rufschädigung auf umgerechnet rund 1 Million Euro verklagt. Professor Tsuang Ben-jei sorgte zuvor mit Angaben über die gesundheitlichen Auswirkungen der petrochemischen Industrie für Aufruhr.
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Wenn das Petrochemiewerk Kuokuang gebaut werde, würde sich die Lebenserwartung der Menschen in der Region im Durchschnitt um 44 Tage verringern. Landesweit würden 393 Menschen an Krankheiten sterben, die durch das Werk verursacht würden, zitiert ihn die Nachrichtenagentur CNA.
Nicht nur Anwohner, auch Umweltschützer protestierten im vergangenen Jahr gegen das geplante Werk im Landkreis Changhua in Mitteltaiwan. Dieses hätte ursprünglich vor Taiwans Westküste gebaut werden sollen. Nach heftigen Protesten von Umweltschützern und Anwohnern lenkte die Regierung ein – im Blick die Präsidenten- und Parlamentswahlen, die einige Monate danach stattfanden.
Die Antwort des Konzerns
Professor Tsuang Ben-jei sagte weiter, dass 66 Fabriken in Taichung und Yunlin – ebenfalls in Mitteltaiwan – Schwermetalle und Dioxine ausstossen, und die Bewohner der Region deshalb einem höheren Krebsrisiko ausgesetzt seien. Die Formosa Plastics Group, deren Naphta-Cracker-Werk ebenfalls unter den genannten Fabriken ist, will die Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Die Gruppe ist auch am Kuokuang-Projekt beteiligt, dessen Umsetzung in Chuanghua unter anderem auch wegen Tsuangs Bericht scheiterte, so die chinesischsprachige Tageszeitung China Times.
Ein Anwalt des Unternehmens sagte vergangene Woche gegenüber der Nachrichtenagentur CNA, mit der Klage gegen den Forscher wolle man die Wahrheit herausfinden. Ausserdem fordere das Unternehmen 40 Millionen Taiwan Dollar – umgerechnet rund eine Million Euro – von Professor Tsuang. Denn Tsuangs Untersuchung stütze sich auf falsche Daten, die dem Ruf des Unternehmens schadeten und bei der Bevölkerung in der Region Angst ausgelöst hätten.
Es sei das erste Mal in Taiwan, dass ein Akademiker von einer Unternehmensgruppe verklagt werde, sagte Tsuangs Anwalt gegenüber der China Times. Wenn daraus eine juristische Schlacht würde, hätte dies einen sehr negativen Effekt auf andere Forscher. Diese würden es sich dann womöglich zweimal überlegen, bevor sie in Zukunft Untersuchungen über die Umweltverträglichkeit der Petrochemie veröffentlichten.
Forscher willkürlich unterdrückt
Auf einer Pressekonferenz bekundeten mehrere taiwanische Wissenschaftler ihre Solidarität mit Tsuang. Mindestens 485 Akademiker hätten eine Petition unterschrieben, in der sie den Professor unterstützten, so die Organisatoren. Darin wird dem Unternehmen willkürliche Unterdrückung der Wissenschaft vorgeworfen; es solle seine Klage deshalb zurückziehen, fordern die Forscher.
Formosa Plastics ist weltweit einer der grössten Hersteller von PVC, das Unternehmen sorgte mit mehreren Werkunfällen sowie der Ausbeutung von Migrationsarbeitern in Taiwan bereits einige Male für Schlagzeilen. Der erste Gerichtstermin ist für heute anberaumt.
Gemäss der Taipei Times ist die Unternehmensgruppe aber grundsätzlich bereit, den Streit auch aussergerichtlich zu lösen. Wenn Tsuang seinerseits bereit sei sich zu entschuldigen, oder den Ruf der Gruppe anderweitig wieder herstellen könne, könne man unter Umständen die Klage wieder zurückziehen. Falls man vor Gericht gewinne, so der Anwalt der Gruppe, werde man die 40 Millionen Taiwan-Dollar für wohltätige Zwecke spenden.
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