Hinter der Fassade
An Land geschwemmte Schiffe, vom Tsunami zerstörte Häuser, endlose Trümmerberge, zerstörte AKW-Reaktoren, Männer in weissen Schutzanzügen. Die Bilder von den Folgen der Dreifachkatastrophe in Japan haben sich tief in die Köpfe der Menschen eingebrannt.
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Die Sorge vor radioaktiver Verseuchung, widerwillige Politiker, die grossen Schlagzeilen, eine erwachte Anti-AKW-Bewegung. Auch diese Seite kennen wir. Doch kennen wir die unsichtbaren, ungehörten Geschichten der Katastrophe? Nein, sagte sich Regisseur Toshi Fujiwara.
Für den Dokumentarfilm «No Man’s Zone» ging der Japaner in die 20-Kilometer-Sperrzone rund um das havarierte AKW Fukushima 1. Es ist der Ort, wo die Zerstörung unbemerkt blieb und selbst vom Tsunami versehrte Dörfer durch die Verstrahlung für Jahrzehnte nicht mehr bewohnbar sind.
Das Unsichtbare erfassen
Fujiwara hat das Unsichtbare filmisch zu erfassen versucht. «Nichts hat sich verändert, ausser dass der Frühling einmal mehr zurück ist, prachtvoll wie immer. Doch abgesehen von der Kamera ist niemand mehr hier, um den Frühling zu geniessen», spricht die Off-Stimme der Schauspielerin Arsinée Khanjian.
«No Man’s Zone» geht dorthin, wo das mediale Interesse für die Katastrophe aufhört. Zu den Betroffenen, zu den Menschen, die durch den AKW-Unfall entwurzelt werden und dennoch nicht wirklich begreifen können, was mit ihnen geschieht. Fujiwara gibt den Opfern der Sperrzone eine Stimme.
«Als ich in den Medien über die Katastrophe las, hatte ich das seltsame Gefühl, dass die Menschen, die unmittelbar von der Katastrophe betroffen waren, nicht genügend Beachtung fanden», erklärt Fujiwara. Er holt dies mit der Geduld des Dokumentarfilmers nach.
Die Betroffenen sprechen
In «No Man’s Zone» sprechen die Betroffenen über ihre Heimat und über die Schwierigkeit, loszulassen. Da ist ein Familienvater, der den Traum einer Rückkehr nicht aufgegeben will. Da sind die älteren Damen, die erzählen, wie die Behörden unmittelbar nach der Katastrophe auf eine Suchaktion nach den Vemissten verzichteten.
Da ist ein Ehepaar, das vor den Trümmern ihres Generationen alten Familienhauses steht und da sind auch die Schicksale der Menschen aus Iitate, die rund 40 Kilometer weit weg vom AKW leben und dennoch evakuiert werden müssen – die Strahlung macht keinen Halt vor der 20-Kilometer-Sperrzone. Sie alle sprechen für die 80’000 Evakuierten, die sich mit dem Unfassbaren zu arrangieren versuchen.
«Am Ende scheint alles, was wir gesehen haben, seine Bedeutung verloren zu haben, wenn wir Bilder von Katastrophen betrachten, die wir nicht sehen können», beschreibt Off-Sprecherin Khanjian den erschütternden Gefühlszustand einer nuklearen Sperrzone.
Ein Mahnmal
«No Man’s Zone» lässt die Bilder und Stimmen der Betroffenen sprechen. Er gibt die zuweilen auf der Strecke gebliebene Emotionalität und Menschlichkeit dieser Tragödie zurück. Das Unerträgliche erhält Konturen. Toshi Fujiwara hat mit «No Man’s Zone» ein Mahnmal gesetzt und betont: «Was in Fukuhima passiert ist, sollte nicht bloss als Tragödie angesehen werden, die sich irgendwo im weit entfernten Japan abgespielt hat.» Es ist höchste Zeit, diesen Menschen zuzuhören.
«No Man’s Zone» läuft derzeit in den Kinos. Mehr dazu hier.
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