Sayonara Atomausstieg
Eigentlich wollte die japanische Regierung bis spätestens 2040 aus der Atomenergie aussteigen. So sah es der Plan eines Regierungsausschusses aus (Asienspiegel berichtete). Der Zeitraum war grosszügig geplant, zu grosszügig und zu vage in den Augen vieler. Doch immerhin sprach erstmals eine Regierung offiziell von einem Ausstieg.
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Nur wenige Tage kommt der Rückzieher. Strategieminister Motohisa Furukawa betont zwar, dass man an der Politik der Förderung erneuerbarer Energien festhalten werde. Von einem Atomausstieg bis 2040 ist gemäss neuster Lesart der Regierung nichts mehr übrig.
In einer Kabinettsmitteilung heisst es gemäss Mainichi Shimbun nun lediglich, dass «die Regierung die Energiestrategie durch ständiges Überprüfen und kontrollieren flexibel handhaben wird». Die letzte Woche präsentierte Strategie solle lediglich als Referenzpunkt dienen. Vieles erinnert an die Aussage des damaligen Premierministers Naoto Kan, der den Traum einer Gesellschaft frei von Kernkraftwerken formulierte, um nur einen Tag später von seinem Kabinett korrigiert zu werden (Asienspiegel berichtete).
Die starke Wirtschaftslobby
Bereits am Wochenende zeigte die Absicht von Wirtschaftsminister Yukio Edano, die seit Fukushima gestoppten Bauarbeiten an 3 AKW fortzuführen, wie inkonsistent der formulierte Atomausstieg war (Asienspiegel berichtete). Die Sorge, die Wirtschaftsklientel zu vergraulen, schien offenbar zu gross.
Mit dem neusten Kabinettsentscheid hat sich die Regierung der Wirtschaftslobby endgültig gebeugt. «Die Regierung hört der Geschäftswelt überhaupt nicht zu», empörte sich Hiromasa Yonekura, Präsident des einflussreichen Wirtschaftsverbandes Keidanren, als er letzte Woche die Nachricht vom Atomausstieg vernommen hatte. Die Autobranche warnte gar vor Arbeitsplatzverlusten.
Nur wenige Tage später zeigt sich Yonekura hoch erfreut: «Der erklärte Atomausstieg bis in die 2030er-Jahre ist vom Tisch.» Die Interessen der Wirtschaft stehen im totalen Gegensatz zu denen der Bevölkerung. Denn der Grossteil fordert bis spätestens 2030 den Atomausstieg.
Das nukleare Dorf
Inzwischen hat Premierminister Yoshihiko Noda auch die neue 5-köpfige nukleare Regulierungsbehörde eingesetzt, die unabhängig über die Sicherheit und das Wiederhochfahren der Atomkraftwerke entscheiden soll. Im Gegensatz zur früheren Nuklearkommission ist sie nicht dem Wirtschafts-, sondern dem Umweltministerium unterstellt.
Präsident der neuen Atomaufsicht ist Shunichi Tanaka. Das Parlament hatte seine Ernennung verweigert. Denn der 67-Jährige ist ehemaliger Vize-Präsident der Japanischen Atomenergiebehörde.
Er sei damit ein klassisches Mitglied des «Nuklearen Dorfes». Damit sind in Japan die Experten gemeint, sich eng mit der Atomlobby verbandelt sind. Der aus Fukushima stammende Tanaka betont jedoch, nur flüchtige Beziehungen zur Branche zu pflegen und unabhängig handeln zu wollen.
Erzwungene Ernennung
Weiter wird kritisiert, dass mit Kayoko Nakamura (Japan Radioisotope Association) und Toyoshi Fuketa (Japanische Atomenergiebehörde) zwei weitere Mitglieder der neuen Regulierungsbehörde aus «dem nuklearen Dorf» stammen. Die anderen 2 Mitglieder sind Kenzo Oshima, Ex-Botschafter der UNO, und Kunihiko Shimazaki von der Erdbebenvorhersage.
Noda hat die Mitglieder wegen der Verweigerung der Parlamentsmehrheit per Regierungsbeschluss ernannt. Es scheint so, als habe in Japan die Wirtschafts- und Atomlobby die Zügel wieder fest in den Händen – zumindest bis zu den nächsten Neuwahlen.
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