Immer billigeres Essen

Der Fleischeintopf (jap. Gyudon), bei dem Rindfleischscheiben auf Reis serviert werden, ist in Japan der Inbegriff für billiges Essen. Sukiya, Matsuya und Yoshinoya heissen die drei grossen Restaurantketten, die sich auf dieses Gericht spezialisiert haben.
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Wie beim Big-Mac-Index widerspiegelt der Preis für ein Gyudon-Gericht indirekt die Kaufkraft der japanischen Volkswirtschaft. Entsprechend werden Preisentscheide der drei grössten Ketten Sukiya, Yoshinoya und Matsuya von den japanischen Medien jeweils ganz genau verfolgt (Asienspiegel berichtete).
In den letzten Jahren ging es mit dem Gyudon-Preis nur noch bergab. Der Reiseintopf wurde zum praktischen Beispiel für Japans über 10 Jahre anhaltende Deflation. Seit dem Amtsantritt von Premierminister Shinzo Abe versucht jedoch die Bank of Japan mit einer lockeren Geldpolitik jedoch das Ruder herumreissen.
Yoshinoya widersetzt sich dem Trend
Tatsächlich hat die als Abenomics betitelte Wirtschaftspolitik erste Resultate hervorgebracht. Der Yen ist schwächer geworden, der Wirtschaftsausblick für die wichtige Exportbranche hat sich aufgehellt. Doch wie sieht es mit dem ehrgeizigen Inflationsziel von 2 Prozent aus?
Erste japanische Konzerne haben tatsächlich angekündigt, die Preise für ihre Produkte in den nächsten Wochen zu erhöhen. Nicht aber die Gyudon-Verkäufer. Die Restaurankette Yoshinoya geht mit einer historischen Preisreduktion in die genau entgegengesetzte Richtung.
Ab dem 18. April wird eine normale Gyudon-Portion in allen 1139 Ablegern anstatt den bisherigen 380 Yen (2,95 Euro) nur noch 280 Yen (2,15 Euro) kosten, wie Yoshinoya-Präsiden Shuji Abe gleich selbst an einer Pressekonferenz verkündete. Auch die Konkurrenten Matsuya und Sukiya haben für eine limitierte Zeit eine Preisreduktion von 30 Yen angekündigt.
Schwacher Yen ohne Einfluss
Von Inflation ist in dieser Branche nicht die Rede. Yoshinoya begründet den Entscheid mit einer Importlockerung für das US-Rindfleisch, das für den Yoshinoya-Eintopf verwendet werde. Man sei mit dem Gyudon ganz einfach auf dem Preisniveau von früher. Während Jahren war der Import von US-Beef strengen Auflagen unterworfen, nachdem es in den USA 2003 zu einem BSE-Fall gekommen war.
Ausserdem habe der schwache Yen keinen grossen Einfluss auf die Preispolitik des Unternehmens, so Yoshinoya weiter. Um das Währungsrisiko zu mindern, kaufe man das Fleisch ohnehin in rauen Mengen von einem japanischen Grossimporteuren ein, die ihre Preispolitik gegenüber Grosskunden auch nicht alleine von der Währungsentwicklung abhängig machten.
Zerstörerischer Preiskrieg
Die Preisreduktion ist letztendlich eine Anpassung an die Konkurrenz, die bereits seit zwei Jahren wesentlich tiefere Preise anbietet als Yoshinoya. Der Konzern weigerte sich lange, mit der Konkurrenz mitzuziehen: «Es ist, als würde man ein trockenes Tuch auspressen», beklagte sich Yoshinoyas Pressesprecher Haruhiko Kizu einst über den Zwang zu ständig billigeren Preisangeboten (Asienspiegel berichtete).
Nun hat der Konzern seine Preispolitik offensichtlich zu spüren bekommen. Im letzten Quartal ist die Restaurantkette in die roten Zahlen gerutscht, wie die Yomiuri Shimbun berichtet. Der neue Gyudon-Preis soll nun helfen, die Kunden zurückzugewinnen.
Bis die von Premier Abe gewünschte Inflation auch im zerstörerischen Preiskrieg der Gyudon-Ketten einzieht, wird wohl noch viel Zeit zu vergehen. Zu gross ist in dieser Branche das Überangebot. Nach über 10 Jahren Deflation wird der Billigboom nicht so einfach aus den Köpfen der Kunden verschwinden.
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