Die Choco-Pie-Krise
Gestern haben die letzten sieben Südkoreaner die nordkoreanische Sonderwirtschaftszone Kaesong verlassen. Bereits vor einem Monat liess Pjöngjang alle 50’000 nordkoreanischen Arbeiter aus dem Industriegebiet abziehen. Es war eine der vielen Reaktionen Kim Jong-uns auf die nach dem Atomtest verschärften UNO-Sanktionen und dem Militärmanöver der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte.
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Damit hat das 2003 ins Leben gerufene Erfolgsprojekt Kaesong zwischen Süd- und Nordkorea ein abruptes, vorläufiges Ende genommen. Bislang widerstand Kaesong allen innerkoreanischen Krisen. Selbst der nordkoreanische Angriff auf die südkoreanische Insel Yeonpyeong tat der wirtschaftlichen Zusammenarbeit keinen Abbruch.
123 südkoreanische Zweigstellen hatten sich auf den 65 Quadratkilometern niedergelassen. Im Gegenzug beschäftigten diese rund 50’000 nordkoreanische Arbeiter zu einem Monatslohn von umgerechnet 63 US-Dollar inklusive Abzüge. Kaesong wurde zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in Nordkorea. Es wird geschätzt, dass rund 200’000 Nordkoreaner direkt oder indirekt von der Sonderwirtschaftszone gelebt haben.
Auswirkungen auf Lohn und Preise
Ob Kaesong noch eine Zukunft hat, bleibt ungewiss. Gemäss der Daily NK soll Pjöngjang den zurückgezogenen nordkoreanischen Angestellten von Kaesong gesagt haben, dass diese ihre Arbeit bald wieder aufnehmen könnten. Doch seither ist über ein Monat vergangen. 50’000 Arbeiter erhalten keinen Lohn mehr. Der Industriekomplex ist die Lebensader für die Stadt an der Grenze zu Südkorea.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen waren bereits wenige Tage nach dem Abzug spürbar. So ist der Preis für die in Nordkorea heiss begehrten südkoreanischen Schokoladekekse Choco Pie in nur einer Woche von 500 auf 800 Won angestiegen, wie die Daily NK weiter schreibt. Teilweise wird von Preisen von über 2000 Won berichtet.
Die begehrte Handelsware
Die einzeln verpackten Schokoladenkekese mit einer Marschmallow-Füllung haben sich in den letzten Jahren zu einer nordkoreanischen Nebenwährung entwickelt (Asienspiegel berichtete).
Von den südkoreanischen Arbeitgebern in Kaesong ursprünglich als Snack und Zusatzbelohnung an die nordkoreanischen Arbeiter verteilt, sind sie zur begehrten Ware auf dem Schwarzmarkt geworden. 3 Choco Pies erreichten vor zwei Jahren einen Wert von ungefähr 100 Gramm Reis.
Nebenbei hatten die Schokoladenkekse den Effekt, dass damit die süssen Vorzüge des kapitalistischen Südens direkt und ohne Zensur an den Nordkoreaner gebracht werden konnte. «Produkte wie die einzeln verpackten Choco Pies werben ganz beiläufig für die höhere Qualität südkoreanischer Produkte über nordkoreanische», erklärte eine Regierungsquelle in Seoul gegenüber der Chosun Ilbo.
Kim Jong-Ils Anordnung
Manche munkeln, dass die Sonderwirtschaftszone wegen ihres Einflusses auf die Nordkoreaner von Pjöngjang zunehmen als Gefahr betrachtet wurde. Eine nordkoreanischer Parteikader bestätigt der Daily NK, dass bereits Kim Jong-il ein Wachstum der Sonderwirtschaftszone in Kaesong mit Skepsis betrachtete.
Es bestünde die Gefahr, dass die Nordkoreaner sich zu sehr mit der südkoreanischen Gesellschaft und Lebensweise anfreunden könnten, so Kim Jong-ils Befürchtung. «Schliess Kaesong, sobald Du die Möglichkeit dazu hast», soll er seinem Sohn und Nachfolger Kim Jong-un gesagt haben.
Update, 11. September 2013
Der Industriepark Kaesong geht am 16. September, fünf Monate nach seiner Schliessung, wieder auf. Darauf haben sich die beiden Länder nach langen Verhandlungen verständigt. Man hat sich auch darauf geeinigt, dass Kaesong nicht mehr zum Opfer politischer Spannungen werden soll.
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