Der Mann der fal­schen Worte

Kein Mann mit Feingefühl: Taro Aso am WEF in Davos im Jahr 2009.
Kein Mann mit Fein­ge­fühl: Taro Aso am WEF in Davos im Jahr 2009. Foto: flickr/​World Eco­no­mic Forum

«Wir sagen schon lan­ge, dass wir die Ver­fas­sung ändern möch­ten, aber wir möch­ten das nicht inmit­ten eines Auf­schreis. Die Wei­ma­rer Ver­fas­sung wur­de unbe­merkt zur Nazi-Ver­fas­sung abge­än­dert. Nie­mand nahm Notiz davon. Wes­halb ler­nen wir nicht von die­ser Methode?»

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Die­se Wor­te äus­ser­te Taro Aso, Japans Vize-Pre­mier und Finanz­mi­nis­ter, am 29. Juli 2013 in einer Rede an einem Sym­po­si­um zur Ver­fas­sungs­re­form und Lan­des­ver­tei­di­gung. Es ver­ging nur wenig Zeit bis sie für inter­na­tio­na­le Schlag­zei­len sorg­te. «Wel­che Tech­nik soll man von den Nazis ler­nen? Wie man etwa heim­lich eine Demo­kra­tie lahm­legt?», kri­ti­sier­te das Simon-Wie­sen­thal-Zen­trum in Los Ange­les die Wor­te Taros.

«Sol­che Bemer­kun­gen ver­let­zen vie­le Men­schen», mein­te Choi Tai-Young, der Spre­cher des süd­ko­rea­ni­schen Aus­sen­mi­nis­te­ri­ums. Die japa­ni­schen Poli­ti­ker soll­ten in ihren Wor­ten und Ver­hal­ten mehr Bedacht­sam­keit an den Tag legen. Oppo­si­ti­ons­füh­rer Ban­ri Kae­da von der Demo­kra­ti­schen Par­tei (DPJ) for­der­te den Rück­tritt des Vize-Premiers.

Asos Erklä­rung

Zwei Tage spä­ter folg­te die Kor­rek­tur. Sei­ne Äus­se­run­gen zur Ver­fas­sung sei­en ein Miss­ver­ständ­nis gewe­sen. «Ich sehe die Nazis und ihre Art, wie sie die Wei­ma­rer Ver­fas­sung geän­dert haben, als etwas extrem Nega­ti­ves. Ich bedau­re, dass mei­ne Wor­te zum Nazi-Regime Miss­ver­ständ­nis­se her­vor­ge­ru­fen hat.» Er habe viel mehr die Akti­on der Nazis als ein schlech­tes Bei­spiel hin­stel­len wol­len. Einen Rück­tritt schloss Taro Aso jedoch aus.

Kabi­netts­se­kre­tär Yoshihi­de Suga ver­such­te spä­ter wei­ter nach­zu­bes­sern. «Wir haben seit dem Ende des Zwei­ten Welt­kriegs eine Gesell­schaft auf­ge­baut, die auf Frie­den und der Wah­rung der Men­schen­rech­te basiert. Die­se Rich­tung wird sich nie ändern.»

«Nicht tole­ra­bel»

Die Asahi Shim­bun kri­ti­sier­te in einem Kom­men­tar das Ver­hal­ten des Vize-Pre­miers. Es sei schlicht­weg nicht nach­voll­zieh­bar, wie Aso bei die­sem heik­len The­ma die Nazis zitie­ren kön­ne, die unbe­schreib­li­che Ver­bre­chen began­gen haben. Anstatt sich zu ent­schul­di­gen, ver­su­che er nun, sei­ne Bemer­kun­gen ins rich­ti­ge Licht zu rücken.

In Euro­pa oder in den USA hät­te er als Poli­ti­ker schon längst die Kon­se­quen­zen zie­hen müs­sen. «Es darf nicht tole­riert wer­den, dass die Ver­fas­sung ohne wei­te­re Ankün­di­gung geän­dert wird», schreibt die Asahi Shim­bun wei­ter. Asos Kom­men­ta­re sei­en inak­zep­ta­bel. Nun sei die Fra­ge wie, Pre­mier Abe dar­auf reagie­ren wird. Er müs­se sich klar davon distan­zie­ren, ansons­ten kön­ne die Ver­fas­sungs­dis­kus­si­on nicht weitergehen.

Auf Stamm­tisch­ni­veau

Auch der Ame­ri­ka­ner Dave Spec­tor, eine berühm­te TV-Figur und Fern­seh­pro­du­zent in Japan, mein­te in einem wei­te­ren Arti­kel der­sel­ben Zei­tung, dass Asos leicht­fer­ti­ge Wor­te auf dem Niveau eines Stamm­tisch­ge­sprächs sei­en. Die Welt wer­de die der­zei­ti­ge kon­ser­va­ti­ve Strö­mung als einen neu­en Mili­ta­ris­mus wahr­neh­men. Er schla­ge vor, dass sich der Vize-Pre­mier wäh­rend der Obon-Fei­er­ta­ge Schind­lers Lis­te anschau­en sollte.

«Eine sol­che Äus­se­rung zeigt, dass es Aso in auf­fal­len­der Wei­se an inter­na­tio­na­lem All­ge­mein­wis­sen man­gelt», urteilt die Mai­ni­chi Shim­bun in ihrem Leit­ar­ti­kel. Sein Ver­ständ­nis für his­to­ri­sche Tat­sa­chen sei zwei­fel­haft. So habe Aso nicht erwähnt, dass die Macht­über­nah­me der Nazis zu Krieg und Holo­caust geführt haben.

Spä­tes­tens nach Asos ver­wir­ren­den Kor­rek­tur müs­se man an sei­ner Aus­drucks­fä­hig­keit zwei­feln. Es rei­che nicht aus, das The­ma als leicht­fer­ti­gen Aus­rut­scher abzu­tun. In der Son­der­sit­zung des Par­la­ments müs­se der Vize-Pre­mier noch­mals Stel­lung neh­men, for­dert die Zei­tung. Pre­mier Abe dür­fe sich nicht dahin­ter verstecken.

Die LDP und die Verfassung

Der Regie­rungs­par­tei LDP unter Pre­mier Shin­zo Abe ist die seit 1947 bestehen­de und unver­än­der­te Ver­fas­sung mit ihrem Kriegs­ver­zichts­ar­ti­kel 9 ein Dorn im Auge. Der Sieg bei den Ober­haus­wah­len hat der LDP zwar kei­ne Zwei­drit­tel­mehr­heit beschert, die not­wen­dig wäre, um eine Ver­fas­sungs­än­de­rung vorzunehmen.

Den­noch ist davon aus­zu­ge­hen, dass Pre­mier Abe alles dar­an set­zen wird, eine Reform hin­zu­bie­gen. In die kon­tro­ver­se Debat­te haben sich inzwi­schen auch berühm­te Per­sön­lich­kei­ten ein­ge­schal­tet, wie der Ani­me-Meis­ter Hayao Miya­za­ki, der sich vehe­ment gegen eine Reform der pazi­fis­ti­schen Ver­fas­sung stellt (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Der Geor­ge W. Bush Japans

Wort­ge­wandt war Taro Aso, der zwi­schen 2008 und 2009 Pre­mier­mi­nis­ter war, noch nie. Sei­ne Ver­spre­cher haben ihm auch schon den Ruf ein­ge­bracht, der japa­ni­sche Geor­ge W. Bush zu sein. Wie kein ande­rer Poli­ti­ker sorgt er mit sei­nen unbe­dach­ten Äus­se­run­gen und radi­ka­len Ansich­ten im In- und Aus­land regel­mäs­sig für Schlag­zei­len (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Dabei fällt auf, dass kei­ne sei­ner Skan­da­le sei­nem poli­ti­schen Fort­kom­men bis­lang gescha­det haben. Der Nazi-Kom­men­tar wird nicht sein letz­ter Lap­sus gewe­sen sein.

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