Inserate gegen den AKW-Export
Die neuste Nachricht über hochradioaktives Grundwasser beim AKW Fukushima führt wieder einmal vor Augen, dass die Auswirkungen des Atomunfalls noch lange nicht behoben sind.
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Zurzeit gelangen laut einer aktuellen Schätzung der Regierung über 300 Tonnen verseuchtes Grundwasser täglich in den Ozean, wie 47News berichtet. Betreiber TEPCO möchte diese Menge nicht bestätigen. Die Situation ist jedoch derart akut, dass die Regierung das Heft in die Hand genommen hat. Als Sofortmassnahme wurde beschlossen, das Grundwasser hochzupumpen, um diese in Tanks zu lagern. Heute wird angenommen, dass die vollständige Bereinigung des AKW-Unfalls rund 40 Jahre dauern und 11 Milliarden US-Dollar kosten wird.
Trotz vieler ungelöster Probleme drängt die Atombranche auf ein Wiederhochfahren der zurzeit stillgelegten 48 Reaktoren im Land (Asienspiegel berichtete). Die Regierung in Tokio unterstützt derweil den Export der heimischen Nukleartechnologie in aufstrebende Länder wie die Türkei, Vietnam, Jordanien, Indien oder Saudiarabien (Asienspiegel berichtete).
In der Türkei wird Japans Atombauer Mitsubishi am AKW-Bau in Sinop beteiligt sein (Asienspiegel berichtete), in Vietnam sollen es bis 2020 gleich zwei Atomkraftwerke japanischer Herkunft werden (Asienspiegel berichtete).
Widerstand der Journalisten und Filmemacher
Nicht alle in Japan sind jedoch bereit, dieses Vorgehen der Politik einfach so hinzunehmen. Das unabhängige Fotojournalismus-Magazin Days Japan hat am Hiroshima-Gedenktag in einer ungewöhnlichen Aktion in der vietnamesischen Zeitung Viet Nam News ein ganzseitiges Anti-AKW-Inserat geschaltet.
«Aufgrund der immensen Gefahren sind die Japaner gegen den japanischen Export der Nukleartechnologie», steht in grossen Lettern geschrieben. Im Hintergrund ist ein zerstörter Reaktor des AKW Fukushima zu sehen.
In einem kurzen Text stellt Days Japan seinen Standpunkt dar: «Geschätzte 150’000 Menschen leben wegen der Nuklearkatastrophe noch immer in temporären Unterkünften, rund die Hälfte der Grundschüler in den umliegenden Dörfern dürfen nicht draussen spielen.»
Das Inserat macht weiter auf die Wasserverschmutzung im AKW sowie die regelmässigen Demonstrationen vor der Parlamentsgebäude aufmerksam und schliesst mit den Worten: «Sind Sie sich im Klaren, dass die Gefahr der AKW Ihnen Ihr geliebtes Haus berauben kann? Und dies für alle Zeiten.»
Inserate in drei Ländern
Das Inserat überrascht insofern, dass die vietnamesischen Medien gewöhnlich einer Pressezensur unterliegen, gerade wenn es um Themen geht, die dem Standpunkt der Regierung entgegengesetzt sind. Die geringe Auflage von 20’000 Stück und die Tatsache, dass Viet Nam News eine englischsprachige Zeitung ist, mögen dazu beitragen, dass die Behörden hier ein Auge zudrücken.
Days Japan hat sich bei seiner Kampagne nicht nur auf Vietnam beschränkt. Auch in englischsprachigen Zeitungen in der Türkei und Indien hat das Magazin seinen Standpunkt publiziert.
Traditionell kritisch
Das Monatsmagazin hat sich seit seiner Gründung 1988 stets mit Krieg, Umweltproblemen, den Folgen nuklearer Unfälle, Armut, Aids sowie Menschenrechtsfragen kritisch auseinandergesetzt. Fehlende Einnahmen und Uneinigkeiten im Mutterhaus Kodansha führten jedoch zur Einstellung des Blattes nach nur zwei Jahren.
2004 wurde Days Japan schliesslich als eigenständiges Fotojournalismus-Magazin wiederbelebt. Chefredakteur wurde der heute 69-jährige Ryuichi Hirokawa, der bereits die frühere Ausgabe des Magazins als Redaktor mitprägte. Er ist es, der auch das ungewöhnliche Inserat lanciert hat.
Eine Doku gegen den Export
Mit dem Dokumentarfilm Shinobiyoru Genpatsu (dt. «Das sich heranschleichende AKW») reiht sich auch Regisseur Shinsuke Nakai in die Reihe der Exportkritiker ein. Darin spannt er einen inhaltlichen Bogen von Fukushima bis nach Vietnam, wo er da Dorf besucht, in dem das AKW dereinst gebaut werden soll.
Einwohner werden porträtiert, die kaum über die ernsthaften Konsequenzen des AKW-Unfalls in Japan informiert sind. «Der Unfall hat dazu geführt, dass Japan im eigenen Land keine AKW mehr bauen kann. Um zu überleben, gehen unsere Atombauer ins Ausland. Ist dabei egal, was aus den Menschen in Vietnam wird?» kritisiert Nakai in einem Interview.
Auch für Ryuichi Hirokawa von Days Japan geht es mit seiner Aktion darum, ein Bewusstsein für die Gefahren der Nukleartechnologie zu schaffen. «Es ist unsere Pflicht, den Menschen im Ausland über den Widerstand in Japan zu berichten. Hier wird eine Exportstrategie umgesetzt, obwohl es unserem Land nicht gelingt, die eigene AKW-Krise vollständig unter Kontrolle zu bringen», erklärt Hirokawa der Nachrichtenagentur Kyodo.
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