Die Diplomatie des Alltags
Gestern taten es sie es wieder. 158 zumeist konservative Abgeordnete besuchten anlässlich des Herbstfestes den Tokioter Yasukuni-Schrein. Die religiöse Stätte gedenkt den japanischen Kriegstoten, dazu gehören auch die 14 verurteilten Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs.
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Entsprechend gross ist die Verärgerung bei den Nachbarn Südkorea und China, die beide im Zweiten Weltkrieg unter der japanischen Besatzung zu leiden hatten. Mildernd wirkte einzig die Tatsache, dass Premier Shinzo Abe auf einen Besuch verzichtete.
Der Yasukuni-Schrein, die nicht bewältigte Kriegsvergangenheit sowie die territorialen Streitigkeiten sorgen für anhaltende Spannungen in den Beziehungen der Länder in Ostasien (Asienspiegel berichtete). Die Kommunikation auf höchster politischer Ebene ist seit Monaten auf ein Minimum reduziert.
Dass es auch anders gehen kann, zeigen immer wieder ergreifende Geschichten des Alltags, bei denen Politik keine Rolle spielen. Immerhin leben über 1 Millionen Koreaner und Chinesen in Japan. Lee Su-hyon war einer von ihnen.
Die Rettungstat des Lee Su-hyon
Am 17. Oktober 2001 wartete der damals 26-jährige Austauschstudent aus Pusan im Tokioter Bahnhof Shin-Okubo auf den Zug, als ein angetrunkener Mann auf die Geleise stürzte. Instinktiv sprang er zur Hilfe. Der 47-jährige Shiro Sekine folgte ihm nach. Doch bevor die beiden den Gestürzten retten konnten, wurden der Koreaner und die zwei Japaner tödlich vom Zug erfasst.
Der selbstlose Hilfsversuch von Lee Su-hyon bewegt die Menschen auch zwölf Jahre danach. Eine Tafel in japanischer und koreanischer Sprache im Eingangsbereich des Bahnhofs Shin-Okubo erinnert an die damalige Tragödie.
Die Eltern von Lee spendeten das Kondolenzgeld später zur Gründung der Stiftung LSH Asia Scholarship in Gedenken an ihren Sohn. Damit soll Studenten aus Asien ermöglicht werden, in Japan zu studieren. Gemäss der Mainichi Shimbun haben schon 640 Studenten aus China, Südkorea und Vietnam davon profitieren dürfen.
Einen 9-Jährigen gerettet
Diesen September, als der Taifun Nummer 18 die japanische Küste erreichte, kam es zu einer ähnlich berührenden Geschichte. Damals stürzte ein 9-jähriger japanischer Junge während des Unwetters in den Yodogawa-Fluss Osaka. Der 26-jährige chinesische Doktorand Yan Jun war zufällig in der Nähe.
Er sprang in den Fluss und versuchte vier Mal vergeblich, den Jungen an Land zu ziehen. Zu stark war die Strömung. Beim fünften Mal, mit einem Sicherheitsseil angebunden, klappte es schliesslich. Die Asahi Shimbun hat die abenteuerliche Rettungsaktion ausführlich beschrieben. Die Polizei ehrte Yan Jun später mit einem offiziellen Dankesschreiben.
Die Reaktionen von Abe und Park
Auch den Politikern sind diese Heldentagen nicht entgangen. Premier Shinzo Abe bedankte sich persönlich in einem Schreiben beim LSH Asia Scholarship: «Dieses Stipendium, das Lees grossmütige Bestrebungen in Erinnerung hält, ist zu einer wichtigen Grundlage der koreanisch-japanischen Freundschaft geworden.»
Und auch Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye betonte, dass Lees Opfer ein Auslöser dafür gewesen sei, dass sich die Menschen für einen koreanisch-japanischen Austausch von Herzen engagieren.
Nun müssten nur noch die beiden Regierungschefs selbst, Lee zum Vorbild nehmend, über ihren Schatten springen.
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