Abes Besuch im Kriegsschrein
Shinzo Abe hat am 26. Dezember den umstrittenen Yasukuni-Kriegsschrein in Tokio besucht. Das hat seit Junichiro Koizumi 2006 kein japanischer Regierungschef mehr getan. Der Besuch fiel auf den ersten Jahrestag von Abe als Premierminister in seiner zweiten Amtszeit. Im Yasukuni-Schrein wird den 2,5 Millionen japanischen Kriegstoten gedacht wird, darunter auch, seit 1978, 14 verurteilten A-Klasse-Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs.
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Es dauerte keine Stunde bis China reagierte. Man sei zutiefst empört über den Besuch Abes, hiess es in einer Pressemitteilung des Aussenministeriums. Damit trete er die Gefühle der Chinesen und anderer Menschen asiatischer Länder, die unter der Besatzung Japans zu leiden hatten, mit Füssen. Japan müsse die Verantwortung für die Konsequenzen dieses Besuchs tragen.
Auch Seoul liess verlauten, dass Abes Besuch «bedauerlich» sei. Er verherrliche damit Japans Geschichte der militärischen Aggression und Kolonialherrschaft. Washington, wichtigster militärischer Verbündete, zeigte sich ebenfalls «enttäuscht» über den Besuch, der «die Beziehungen zu Japans Nachbarn verschlimmern» werde.
Abes Beweggründe
Abe selbst meinte, dass es in keiner Weise seine Absicht sei, die Gefühle der Chinesen und Koreaner zu verletzen. Er habe für die Kriegstoten aller Länder gebeten und beim Besuch gar den Schwur auf Kriegsverzicht abgelegt.
Doch weshalb besucht der japanischer Premierminister den Schrein, wenn die Reaktionen und Empörungen so vorhersehbar sind? Eine Antwort mag Ablenkung sein. Innenpolitisch macht Shinzo Abe gerade schwierige Zeiten durch. Das neu erlassene Gesetz zum Schutz von Staatsgeheimnissen hat in der Bevölkerung und in den Medien heftige Proteste ausgelöst (Asienspiegel berichtete).
Eine Umfrage der Manichi Shimbun vom 21. und 22. Dezember ergab, dass seine Zustimmungsrate derzeit unter 50 Prozent liegt. Das ist der tiefste Wert in den letzten zwölf Monaten seiner Amtszeit, die bislang von Höhenflügen geprägt war. Zu einem ähnlichen Resultat kamen auch andere Medien (Asienspiegel berichtete).
Darüber hinaus hat sein Entscheid ab kommenden April die Mehrwertsteuer in einem ersten Schritt auf 8 Prozent zu erhöhen, die Sorge ausgelöst, dass sein Wirtschaftswachstum ein abruptes Ende finden könnte, trotz vorbeugender Konjunkturspritze. Ein Besuch im Yasukuni lenkt damit bestens von den innenpolitischen Schwierigkeiten ab.
Kein Gipfeltreffen in Sicht
Wie so viele andere Politiker vor ihm geht auch Abe fest davon aus, dass er mit einer entschlossenen Haltung gegen China die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat, gerade bezüglich des Territorialstreits. Japans Premier deutet mit dem Besuch auch eine «entschlossene» Antwort auf Chinas kürzliche Errichtung einer Flugüberwachungszone an, welche die umstrittenen Senkaku-Inseln umfasst (Asienspiegel berichtete).
Shinzo Abe wartet ein Jahr nach seiner Amtseinführung vergeblich auf ein Gipfeltreffen mit China und Südkorea. Er wird diese Hoffnung auf ein solches schon lange begraben haben. Für Washington bleibt Japan gleichzeitig der wichtigste militärische Alliierte in der Region, als Gegengewicht zum erstarkten China. Ein Besuch wird man Abe verzeihen.
Und die Wirtschaft?
Doch setzt der Premier mit seinem Yasukuni-Besuch wirklich nichts aufs Spiel? Die Wirtschaft, Abes stärkstes Zugpferd, wird sich über dessen unangekündigte Aktion nicht freuen. Gerade in den letzten Monaten gab es klare Anzeichen einer Erholung bezüglich der wirtschaftlich bedeutenden Beziehung mit China.
Seit Herbst strömen Chinas Touristen wieder vermehrt nach Japan. Im November haben sich die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahr gar verdoppelt (Asienspiegel berichtete). Und der japanische Autohersteller Toyota vermeldete steigende Verkäufe in China. Nun befürchten die japanischen Hersteller in China wiederum einen Boykott ihrer Waren und Produkte.
Zugleich zeigt die Umfrage der Mainichi Shimbun, dass sich die Japaner durchaus nach einer Entspannung mit China sehnen. So wünschen sich 63 Prozent der Befragten möglichst rasch ein Gipfeltreffen mit China und Südkorea.
Verfassungsrechtliches Problem?
Die Tokyo Shimbun verweist zudem auf ein verfassungsrechtliches Problem. Der Yasukuni-Schrein ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs eine religiöse Körperschaft, die von der Politik getrennt sein muss. Denn gemäss Artikel 20 der japanischen Verfassung herrscht eine strikte Trennung zwischen Staat und Religion.
Als sich Vorgänger Junichiro Koizumi mit «Premierminister» im Yasukuni eintrug, urteilte das Bezirksgericht Fukuoka 2004 den Besuch entsprechend als verfassungswidrig. Shinzo Abe notierte ebenfalls «Premierminister» im Yasukuni und hat streng genommen denselben rechtlichen Fehler begangen, wie die Tokyo Shimbun meint. Koizumi löste das Problem, indem er seine späteren Besuche offiziell in «privater Funktion» tätigte.
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