Das Jahr in Schriftzeichen

Jeweils im Dezember schreibt Seihan Mori, der Oberste Priester des ehrwürdigen Kiyomizu-Tempels in Kyoto, in einer feierlichen Zeremonie mit schwarzer Tusche ein Schriftzeichen (jp. Kanji) auf ein grosses weisses Papier nieder, welches das ablaufende Jahr in den Augen der Japaner am besten umschreibt.
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Dieses Mal hat es das Zeichen 輪 für Ring (oder auch Kreis, Rad) auf den ersten Rang geschafft. Dies hat eine Online-Abstimmung der Kanji Aptitude Testing Foundation (hier geht es zur Rangliste) ergeben. Rund 9518 von 170’290 abgegebenen Stimmen haben sich für dieses Kanji ausgesprochen, das nach japanischer Lesung mit «wa» und nach sino-japanischer Lesung mit «rin» ausgesprochen wird.
«Go-rin» 五輪, die fünf Ringe, nennen die Japaner die olympischen Spielen. 2020 kommen diese nach Tokio. Der von den Japanern euphorisch aufgenommene Entscheid fiel am IOC-Treffen in Buenos Aires diesen September (Asienspiegel berichtete). Das Zeichen steht auch für die gute Teamarbeit zwischen der Wirtschaft, der Politik und der Bevölkerung, die diesen Erfolg erst möglich gemacht hat.
Verschiedene Interpretationen
Die Interpretationen für die Wahl eines Kanji sind stets vielfältig. Die Kanji Aptitude Testing Foundation listet in der Pressemitteilung die jeweils besten Gründe für die entsprechende Wahl auf.
Auch Seihan Mori hat seine Meinung zum siegreichen Kanji. Ein Ring stehe dafür, dass sich ganz viele Menschen vereint hätten, um etwas in Bewegung zu setzen, kommentierte er laut NHK News den Entscheid der Japaner. Es sei wichtig, dass dieser Kreislauf der Unterstützung auch für den Wiederaufbau im zerstörten Tsunami-Gebiet fortgeführt werde.
An zweiter Stelle hat es das Zeichen 楽 «raku» (u.a. einfach, bequem) geschafft, das stellvertretend für den Erfolg des Baseballteams Tohoku Rakuten Golden Eagles steht. Die Mannschaft aus Sendai, die Millionenstadt im Nordosten Japans, gewann dieses Jahr erstmals die nationale Meisterschaft und wurde damit zu einem Symbol der Hoffnung im Krisengebiet.
Vom Modeausdruck zum Kanji
Das Kanji 倍 «bai» (doppelt) liegt auf dem dritten Platz. Dazu trug hauptsächlich der populäre Ausdruck «Baigaeshi!» 倍返し («Doppelt heimzahlen!») aus der TV-Serie Hanzawa Naoki bei, der es dieses Jahr zum Modewort des Jahres gebracht hat (Asienspiegel berichtete).
Die Zeichen 東 «higashi» (Osten) und 風 «kaze» (Wind) runden die Top 5 ab. Hierfür sind die Interpretationen noch etwas vielfältiger. So ist das Zeichen 東 einerseits ein Bestandteil von Tokyo 東京 («die östliche Hauptstadt»), was wiederum an den Entscheid für die Sommerspiele erinnern soll. Anderseits steht das Kanji auch für die siegreiche Baseballmannschaft aus der Region Tohoku (東北, Nordosten).
Der Wind 風 hat es vermutlich wegen Hayao Miyazakis Anime-Film «Kaze tachinu» 風立ちぬ, The Wind Rises, auf den fünften Platz geschafft (Asienspiegel berichtete). Aber auch die überdurchschnittlich starken Taifuns 台風 in diesem Herbst oder der wirtschaftlich günstige Rückenwind 追い風 («Oikaze») durch Premier Abes Wirtschaftspolitik und den olympischen Entscheid haben wohl zur Spitzenplatzierung beigetragen.
Von hoffnungsvoll bis traurig
Übrigens ist es nicht immer so, dass einzig die positiv bewertete Schriftzeichen das Rennen machen. Seit der ersten Wahl des «Kanji des Jahres» 1995 schafften es auch immer wieder negativ besetzte Schriftzeichen an die Spitze.
Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York war es das Zeichen für Krieg 戦, welches das Jahr 2001 am besten umschrieb. Oder nach den zahlreichen Naturkatastrophen von 2004 gewann 災 für Katastrophe die Wahl.
In den letzten zwei Jahren entschied man sich, trotz der Dreifachkatastrophe, jeweils für hoffnungsvolle Schriftzeichen. So waren es 2011 die Bande 絆 (Asienspiegel berichtete) und 2012 金 Gold (Asienspiegel berichtete). Mit dem Ring setzt sich dieser Zyklus nun fort.
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