Geheimstaat Japan

Nach tumultartigen Wochen haben beide Parlamentskammern in Japan das Gesetz «zum Schutz von Staatsgeheimnissen» verabschiedet. Die Regierungskoalition um Premierminister Shinzo Abe hat diese umstrittene Bestimmung in einer beispiellosen Aktion in nur wenigen Monaten im Alleingang durchgepeitscht. Die Oppositionsparteien stemmten sich grösstenteils dagegen oder enthielten sich der Stimme.
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs.
Mit dem neuen Gesetz hat die Regierung nun die Möglichkeit, Informationen in den Bereichen Anti-Terrorkampf, Diplomatie, Verteidigung und Spionage bis zu 60 Jahren als Staatsgeheimnisse unter Verschluss zu halten. Wer diese Geheimnisse an die Öffentlichkeit weitergibt, dem drohen bis zu 10 Jahren Haft und eine Geldstrafe von 10 Millionen Yen (97’000 Euro). Des weiteren wird ein Nationaler Sicherheitsrats nach US-Vorbild aufgebaut.
Die Regierung Abe betonte stets, dass es um die Verbesserung der nationalen Sicherheit gehe. Sie sollen ihm die Mittel geben, um besser mit den aktuellen Streitigkeiten in Ostasien umgehen zu können. Nur mit dem neuen Gesetz könnten Geheimdienstinformationen mit den Alliierten, allen voran den USA, geteilt werden. In Japan soll es keinen Fall Snowden geben, so die unmissverständliche Botschaft. Die Ausarbeitung und Umsetzung des Gesetzes soll innerhalb eines Jahres erfolgen.
Auch Fukushima davon betroffen?
Der Auslöser der neuen Gesetzgebung war die Veröffentlichung eines Videos auf Youtube vor drei Jahren, das eine Konfrontation zwischen einem chinesischen Fischerboot und der Küstenwache bei den umstrittenen Senkaku-Inseln zeigte (Asienspiegel berichtete). Der Whistleblower war ein Mitglied der Küstenwache. Als Strafe wurde er für ein Jahr freigestellt. Er zog die Konsequenzen und trat von seinem Posten zurück. Die Ermittlungen gegen Isshiki wegen Weitergabe von geheimen Dokumenten wurden daraufhin eingestellt.
Doch wann genau wird eine Information zum Staatsgeheimnis? Die neue Gesetzgebung gibt darauf keine klare Antwort. Die Opposition und die Medien sehen im vieldeutigen Gesetzestext einen gefährlichen Eingriff in die Demokratie. Den Bürokraten und Regierungspolitikern würde damit ein neues Machtinstrument in die Hand gegeben.
Es wird befürchtet, dass sensible Informationen zum AKW-Unfall in Fukushima künftig zum Staatsgeheimnis erklärt werden könnten. Gerade die grossen Tageszeitungen, die eine einheitliche Front gegen das neue Gesetz bildeten, fürchten um ihre Pressefreiheit. Wesentliche Grundfreiheiten würden damit beschnitten.
Die Regierung hat versprochen eine neue Behörde zu erschaffen, welche über die korrekte Anwendung des Gesetzes wachen würde. Die Opposition verlangt derweil die Einsetzung einer unabhängigen Behörde, welche diese Aufgabe übernimmt.
Mehrheit gegen das Gesetz
Auch in der Bevölkerung hat sich der Widerstand formiert. Wiederholt kam es in den letzten Wochen zu grossen, öffentlichen Demonstrationen. Eine aktuelle Umfrage der Asahi Shimbun zeigt, dass rund 76 Prozent der Befragten die Debatte über das Gesetz im Parlament als «nicht ausreichend» betrachteten. 51 Prozent stellen sich klar dagegen. Die Aussage des Generalsekretärs der Regierungspartei LDP, Shigeru Ishibashi, der die Demonstrationen gegen das neue Gesetz in die Nähe von «terroristischen Aktionen» stellte, trug nicht gerade zur Vertrauensbildung bei.
Die Kritiker sehen mit dem neuen Gesetz einen Rückschritt in die 1930er-Jahre, als die militaristische Regierung ein Gesetz zur Aufrechterhaltung der Sicherheit verabschiedete. Aufgrund dessen wurden bis 1941 über 60’000 Menschen vorübergehend festgenommen. Erst 1945 wurde das Gesetz wieder aufgehoben.
In Südkorea und China ist man entsprechend besorgt über das neue Gesetz. «Japan ist daran, eine Nation zu schaffen, die in den Krieg ziehen kann. Damit bewegt sie sich das Land weit weg von der Nachkriegsstruktur, die den Krieg oder den Unterhalt einer Armee untersagte», zitiert die Asahi Shimbun die südkoreanische Zeitung Dong-A Ilbo. Auch Chinas Fernsehstation CCTV sprach «von einer rücksichtslosen Methode, um mit der Bildung eines Militärstaates vorwärts zu machen.»
Die USA zeigen sich derweil vollends zufrieden über die schnelle Verabschiedung des neuen Gesetzes in Japan. Nur so könne die Sicherheit von Informationen unter Alliierten gewährleistet werden. Gleichzeitig würden beide Länder die Verpflichtung zu Presse- und Meinungsfreiheit teilen, hiess es aus Washington.
Buchtipp
«In Japan – Der praktische Reiseführer» (Edition 2023) von Jan Knüsel als E-Book.
Pocket-Wifi
Unlimitierten Internetzugang in Japan mit Japan Wireless, inkl. Rabatt-Coupon in der Höhe von 10% (Code: JWASIENSPIEGEL)
Airport Taxi
Mit dem Airport Taxi zum Pauschalpreis von den Flughäfen Haneda, Narita nach Tokio sowie Kansai Airport nach Osaka und umgekehrt.
Ohne Abonnenten kein Asienspiegel
September 2023 – Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
VORTEILE JAHRES-ABO
Jahres-Abonnenten stehe ich für Fragen zur Verfügung. Klicken Sie hier, um mehr darüber zu erfahren.
- Zahlungsmittel: Master, Visa, PayPal, Apple Pay, Google Pay
- Für TWINT bitte via Asienspiegel Shop bezahlen
- Für Banküberweisung hier klicken