Der NHK-Chef und die Trostfrauen
NHK (Nippon Hoso Kyokai) ist der Koloss in Japans Medienwelt, das Pendant zur britischen BBC. Die einzige öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft des Landes strahlte 1925 ihre erste Radiosendung aus, 1953 folgte die Fernsehstation. NHK unterhält heute 54 Studios in den 47 Präfekturen des Landes. Hinzu kommen 30 Korrespondenten-Büros auf der ganzen Welt.
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Der Sender finanziert sich fast ausschliesslich aus den Rundfunkgebühren. Letztes Jahr kamen so Einnahmen von 622 Milliarden Yen (4,43 Milliarden Euro) zusammen. Lediglich 25 Milliarden Yen entstammen aus anderen Quellen.
Die öffentlich-rechtlichen Anstalt geniesst einen überaus guten Ruf in der Bevölkerung. Dass das Vertrauen in die Arbeit des Fernsehsenders aber schnell schwinden kann, beweist zurzeit ihr neuer Präsident Katsuto Momii. In seiner allerersten Pressekonferenz tat dieser seine politische Meinung zu historisch und aktuell brisanten Themen derart offen kund, dass nun erhebliche Zweifel an dessen Ernennung laut werden.
«Eine Realität jener Zeit»
Als ein Journalist frühere NHK-Sendungen ansprach, welche die sogenannten Trostfrauen im Zweiten Weltkrieg zum Thema hatten, meinte Momii, dass man die Zwangsprostitution in allen vom Krieg betroffenen Nationen vorfinde und fügte hinzu: «Können Sie etwa behaupten, dass es solche Einrichtungen in Frankreich oder Deutschland nicht gab? Das gab es auch in Europa. Weshalb glauben sie, dass die Niederlande heute noch Rotlichtviertel besitzen?»
«Gemäss heutigen moralischen Standards war es falsch, aber Trostfrauen, die das Militär begleiteten, waren eine Realität jener Zeit», meinte Momii. Er verstehe zudem nicht, dass trotz des Grundlagenvertrags zwischen Japan und Südkorea von 1965, der seiner Meinung nach alle Angelegenheit gelöst habe, das Thema der Entschädigungen noch immer von Seoul hervorgebracht werde.
Der Begriff der Trostfrauen ist in Japan ein Euphemismus für die Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs in den von der japanischen Armee besetzten Gebieten zur Prostitution gezwungen wurden. Schätzungsweise 200’000 Frauen in Korea und China waren davon betroffen. Die japanische Regierung tut sich bis heute schwer, dieses Kapitel zu thematisieren. Eine Mehrheit der noch lebenden Opfer wartet noch immer auf eine offizielle Anerkennung und Entschädigung für die begangenen Verbrechen.
Keine neuen Töne
Die Argumentation des NHK-Präsidenten bezüglich der Trostfrauen wird gerne von konservativen Kreisen vorgebracht, so zuletzt auch von Osakas Bürgermeister Toru Hashimoto (Asienspiegel berichtete). Entsprechend erhielt der NHK-Präsident von Hashimoto nur wenig später Rückendeckung, wie die Yomiuri Shimbun berichtet.
Katsuto Momii betonte zwar, dass das Programm von NHK gemäss des Rundfunkgesetzes gestaltet werde, welches die Fernstation zu objektiver, fairer und neutraler Berichterstattung verpflichtet. Gleichzeitig sorgte er mit seinen Aussagen wiederholt für Verwirrung. So meinte er bezüglich des Internationalen Senders von NHK, dass es nur natürlich sei, die japanischen politischen Position klar wiederzugeben. «Es würde für uns nicht stimmen, wenn wir ‹links› sagen während die Regierung ‹rechts› sagt», so Momii.
Momii entschuldigt sich
Die Pressekonferenz des NHK-Präsidenten hat medial für viel Wirbel gesorgt. Die grösste Oppositionspartei, die DPJ, wirft Momii vor, parteiisch zu sein. Man werde ihn während der Budget-Diskussion im Parlament noch genauer zu seinen Äusserungen befragen. Aber auch Mitglieder der Regierungspartei LDP kritisieren Momiis Haltung. Andere legen ihm den Rücktritt nahe.
Der mediale Druck war ein Tag nach der Pressekonferenz bereits derart gross, dass sich Katsuto Momii für seine Aussagen zur Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg entschuldigte. Diese seien «äusserst unangebracht» gewesen, zitierte ihn die Nikkei Shimbun. Es habe sich um eine persönliche Meinung gehalten und er habe die Regeln noch nicht gekannt. «Aber auch selbst wenn es sich um eine individuelle Meinung handelt: es ist nicht etwas, dass ich hätte sagen sollen», gab er sich einsichtig. Ob er sich damit aus der medialen Schusslinie bringt?
Kritik am Wahlsystem
Der NHK-Präsident wird jeweils für drei Jahre von einem 12-köpfigen Direktorium gewählt. Zur Ernennung muss er mindestens 9 Stimmen auf sich vereinen. Bemängelt wird bei diesem System, dass der Premierminister persönlich die Mitglieder des Direktoriums nominiert, welche anschliessend vom Parlament bestätigt werden müssen. Auf diese Weise brachte Shinzo Abe kurz vor der Wahl des neuen Präsidenten vier vertraute Mitglieder ins Gremium.
Momii sei demnach nur dank des Premiers Hilfe zu diesem Posten gekommen, heisst es von Seiten der Kritiker. Einzig die persönlichen Beziehungen und nicht die fachliche Kompetenz würden zählen, lautet der Vorwurf einer Bürgergruppe, welche die NHK beaufsichtigt. Die Vorgabe einer objektiven, fairen und neutralen Berichterstattung könne so gar nicht eingehalten werden.
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