Ein mächtiges Anti-AKW-Duo
Eine Woche Bedenkzeit gab er sich, doch nun ist es definitiv. Japans ehemaliger Premierminister Morihiro Hosokawa will es nach 15 Jahren politischer Abstinenz noch einmal wissen. Als Unabhängiger wird der 76-Jährige am 9. Februar für den einflussreichen Governeursposten in Tokio kandidieren.
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Dabei darf er auf die Unterstützung von Junichiro Koizumi zählen, ebenfalls ehemaliger Premierminister und bis heute einflussreicher Strippenzieher in der Regierungspartei der Liberaldemokraten. Zusammengebracht hat die beiden unterschiedlichen Politiker die gemeinsame Haltung zur Atomenergie. Beide fordern den unverzüglichen Ausstieg.
Letzten Oktober überraschte Koizumi mit dem Wandel zum entschlossenen AKW-Gegner (Asienspiegel berichtete). «In der Wirtschaftswelt halten viele den AKW-Ausstieg für unverantwortlich. Ich hingegen befürworte den Atomausstieg», sagte er damals in einer Rede in Nagoya. Es dürfe nicht sein, Atomkraftwerke zu betreiben, ohne ein Atommüllendlager zu besitzen.
Abes Ärger mit Koizumi
Seither lässt Koizumi nicht mehr locker und verärgert damit auch seinen früheren politischen Ziehsohn und aktuellen Premierminister Shinzo Abe. Dieser will nichts von einem Ausstieg wissen (Asienspiegel berichtete).
Im Gegenteil, er bezeichnet den von Koizumi vorgeschlagenen Atomausstieg als unverantwortlich. Der Atomstrom sei für die Wirtschaft lebenswichtig. Gleichzeitig treibt er den Export der japanischen AKW-Technologie mit grossen Schritten voran (Asienspiegel berichtete).
Das neue Duo
So ist es nun zum ungewöhnlichen Duo Hosokawa-Koizumi gekommen. «Wir können das Land verändern, wenn wir zeigen, dass Tokio ohne Atomstrom leben kann», sagte Koizumi an der kurz einberufenen Pressekonferenz. Die Idee für die ungewöhnliche Kooperation hatte laut der Mainichi Shimbun ein Freund von Hosokawa. Nur mit dem einflussreichen Koizumi könne der Neustart der zurzeit abgeschalteten Reaktoren verhindert und ein unverzüglicher Atomausstieg vorangetrieben werden, soll er ihm geraten haben.
Damit wird die AKW-Frage zu einem Schwerpunktthema der Gouverneurswahl der Präfektur Tokio. Zwar gibt es in Tokio selbst kein AKW, doch über Stromproduzent TEPCO war die Millionenstadt ein grosser Bezüger von Atomenergie. So lieferte auch das zerstörte AKW Fukushima Strom in die Metropole.
Mehrheit gegen den Atomstrom
Mit der Kooperation sind die Chancen für Hosokawa gestiegen. Er selbst war zwischen August 1993 und April 1994 Premierminister (Asienspiegel berichtete). Danach kam der schrittweise Rückzug aus der Politik. Schon kurz nach der AKW-Katastrophe setzte er sich öffentlich für den Ausstieg ein. Nun will er zumindest Tokio zur atomstromfreien Zone machen. Ein weiterer Plan Hosokawas ist es, die Tsunami-Region im Nordosten Japans in die Olympischen Sommerspiele 2020 zu integrieren.
Mit der Anti-AKW-Haltung lässt sich drei Jahre nach dem AKW-Unfall punkten. Eine von FNN News durchgeführte Umfrage zeigt, dass rund 60 Prozent gegen das Wiederhochfahren aller 50 zurzeit abgestellter AKW-Reaktoren sind. Die Nukleare Regulierungsbehörde prüft momentan 16 Reaktoren in 9 Atomkraftwerken auf ihre Sicherheit.
Ausserdem musste die Regierung seine für Januar angekündigte Energiepolitik verschieben. 19’000 Kommentare seien aus der Bevölkerung eingetroffen, zitiert die Sankei Shimbun Industrieminister Toshimitsu Motegi. Man müsse diese nun bearbeiten. Über die Details mochte er sich nicht detailliert äussern. «Wir müssen uns mehr mit dem Atommüll befassen», liess er zumindest verlauten. Ausserdem müsse man sich auch über den Ausbau erneuerbarer Energien Gedanken machen.
Starke Konkurrenz
Hosokawa hat sich unter diesen Voraussetzungen gut positioniert, eine Garantie für einen automatischen Wahlerfolg ist diese Strategie jedoch nicht. Lediglich die Unterstützung der Demokratischen Partei ist ihm zurzeit gewiss.
Die regierenden Liberaldemokraten stellen sich derweil hinter Yoichi Masuzoe. Weitere Kandidaten sind der regierungskritische und sozial engagierte Anwalt Kenji Utsunomiya, der bei der letzten Wahlen als Zweiter hervorging. Ausserdem sind auch der umstrittene, ehemalige Luftwaffen-Chef Toshio Tamogami und der berühmt-berüchtigte Erfinder Yoshiro Nakamatsu am Start.
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