Die verpasste Anti-AKW-Chance
Japans Premierminister Shinzo Abe wird sich gefreut haben. Bei den Gouverneurswahlen vom Sonntag hat Yoichi Masuzoe das Rennen gemacht. Der 65-jährige trat zwar als Unabhängiger an, hatte aber die Unterstützung der regierenden Liberaldemokraten. Damit hat Tokio einen Gouverneur, der bei den grossen Fragen auf Regierungslinie ist, gerade wenn es um die künftige Energiepolitik geht.
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Die Gegenkandidaten Kenji Utsunomiya und Morihiro Hosokawa (Asienspiegel berichtete), die sich beide für den Atomausstieg stark machten, zogen den kürzeren. Selbst die tatkräftige Unterstützung von Ex-Premierminister Junichiro Koizumi brachte Hosokawa nicht den gewünschten Wahlerfolg.
Stattdessen hat mit Masuzoe ein Mann gewonnen, der das Wiederhochfahren der AKW-Reaktoren befürwortet. Gleichzeitig versprach dieser die Förderung erneuerbarer Energien und einen langfristigen Atomausstieg, um sich gegen Hosokawa und Utsunomiya abzusichern. Die Strategie ist aufgegangen.
Der Fokus auf soziale und wirtschaftliche Themen, insbesondere die Altersvorsorge wie die Olympischen Spiele, sowie die starke Wählerbasis der Liberaldemkoraten brachten dem ehemaligen Gesundheitsminister schliesslich den Erfolg. Resultate wie bei den Bürgermeisterwahlen in Nago auf Okinawa oder in Minamisoma in der Präfektur Fukushima, wo Gegner der aktuellen Regierungspolitik erst kürzlich gewannen, sind damit ausgeblieben.
Zerstrittene Opposition
Bedeutet dies nun, dass die Bewohner von Tokio hinter der Atomenergie stehen? Ein Blick auf das Wahlresultat zeigt, dass Masuzoe rund 2,11 Millionen Stimmen auf sich vereinte. Kenji Utsunomiya holte 983’000 und Morihiro Hosokawa 956’000 Stimmen. Masuzoe hat damit etwas mehr Stimmen geholt als beide Atomgegner zusammen, die insgesamt knapp 2 Millionen Stimmen gemeinsam geholt haben.
Das Resultat zeigt, dass sich die Opposition in Japan zurzeit gegenseitig schwächt. Ein Zusammengehen der beiden grossen Oppositionskandidaten hätte die Position von Masuzoe zumindest stärker ins Wanken gebracht. Doch für Utsunomiya, der von den Sozialdemokraten und Kommunisten unterstützt wurde, war eine Kooperation mit Hosokawa, der von der Demokratischen Partei den Zuspruch erhielt, unmöglich. Der konservative Ex-Premier und bekehrte AKW-Gegner Koizumi bleibt für Japans Linke ein Politiker, mit dem man nicht zusammenarbeiten will. Zu stark driften die politischen Vorstellungen auseinander.
Keiner der beiden Kandidaten wollte sich für den anderen aus dem Rennen nehmen. Die Anti-AKW-Gegner sprechen von einer verpassten goldenen Chance. Der Wahlausgang zeigt zudem, dass wirtschaftliche Themen bei den Wählern derzeit Vorrang geniessen, auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin für einen Atomausstieg plädiert.
Für eine Überraschung sorgte derweil das Wahlresultat von Toshio Tamogami. Mit 610’000 Stimmen erhielt der ehemalige, umstrittene Luftwaffenchef, der für seine nationalistische Haltung bekannt ist, unerwartet starken Zuspruch, der wohl auf die anhaltend gespannten Beziehungen zwischen Japan und seinen Nachbarländern zurückzuführen ist.
Abe setzt auf die Atomenergie
Für Premierminister Shinzo Abe ist der Ausgang der Gouverneurswahl eine Einladung mit der bisherigen Energiepolitik fortzufahren. Auch sein einflussreicher politischer Ziehvater, Junichiro Koizumi, kann ihn fürs Erste nicht mehr gefährlich werden. Abe wird auf ein möglichst schnelles Wiederhochfahren der AKW-Reaktoren pochen.
Zurzeit sind alle 48 Reaktoren im Land abgeschaltet. Mit Wärmekraftwerken wird der Stromausfall derzeit kompensiert (Asienspiegel berichtete). Das führt zu hohen Importausgaben für Gas und Erdöl und höheren Stromkosten, was Abe als grosses Hindernis für ein künftiges Wirtschaftswachstum sieht.
Langer Wiederhochfahr-Prozess
Doch auch der Premier wird sich gedulden müssen, bis der erste Reaktor wieder ans Netz geht. Zurzeit bearbeitet die neu geschaffene Nukleare Regulierungsbehörde (NRA) Anträge von sieben Stromproduzenten für das Wiederhochfahren von 16 Reaktoren in insgesamt 9 Kernkraftwerken. Die unabhängig von der Regierung agierende NRA hat sich als strenger erwiesen als Abe lieb ist. Die Stromproduzenten haben bereits Milliarden aufgewendet, um ihre AKW den neuen Sicherheitsbestimmungen anzupassen (Asienspiegel berichtete).
Hunderte von Angestellten der verschiedenen Stromproduzenten haben sich seit Monaten in der Nähe der Nuklearen Regulierungsbehörde in Tokio in Hotels einquartiert, um die Anfragen sofort bearbeiten zu können, wie eine Reportage von Reuters zeigt. Zehntausende Dokumente müssen bearbeitet werden. Die NRA muss diesen Berg an Arbeit mit verhältnismässig wenig Personal bewältigen.
Noch laufen die Sicherheitschecks und niemand weiss, wann und ob in absehbarer Zeit ein Reaktor von der NRA wie auch von den lokalen Behörden grünes Licht erhält. Es wird vermutet, dass wohl frühestens im Sommer der erste Reaktor wieder ans Netz gehen könnte.
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