Die Zen­sur herausfordern

«Erlau­ben Sie mir ein paar Din­ge zu erklä­ren. Ich lebe in einer Welt, wo die meis­ten Nach­rich­ten gute Nach­rich­ten sind.» So beschreibt der 27-jäh­ri­ge Zola sei­ne Hei­mat Chi­na. Er ist einer von zwei por­trä­tier­ten Blog­gern im Doku­men­tar­film High Tech, Low Life von Regis­seur Ste­phen Maing. 

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Das preis­ge­krön­te Werk gewährt einen über­ra­schen­den Ein­blick in eine leben­di­ge Sze­ne, die im Namen der Pres­se­frei­heit viel wagt. Sie sind die Ai Wei­weis von denen man im Wes­ten nie hört. 

Der jun­ge Rebell

Der jun­ge Gemü­se­ver­käu­fer Zola, der mit rich­ti­gem Namen Zhou Shu­guang heisst, gehört zu einer Gene­ra­ti­on, die mit dem Inter­net auf­ge­wach­sen ist. Er ist ein Digi­tal-Nati­ve, der sich nichts von Auto­ri­tä­ten, und sei­en es auch nur sei­ne Eltern, vor­schrei­ben lässt. 

Ein Bericht über einen undurch­sich­ti­gen Mord­fall in einem Dorf, der von den Behör­den unter den Tisch gekehrt wird, macht sei­nen Blog bekannt. «Ich war ein Nie­mand, bis ich das Inter­net ent­deckt habe», bringt Zola sei­nen Lebens­lauf auf den Punkt.

Seit­her ist er nicht mehr auf­zu­hal­ten. Mit der Kame­ra im Arm berich­tet Zolas über sozia­le Miss­stän­de und undurch­sich­ti­ge Ver­bre­chen. Sei­ne schlaue Art der Bericht­erstat­tung bewahrt ihn mehr als ein­mal vor dem Ein­griff der Behör­den, die ihm stets auf den Fer­sen blei­ben und ihm auch in der Nacht kei­ne Ruhe las­sen. Selbst eine Rei­se nach Deutsch­land wird ihm am Flug­ha­fen verweigert.

Das schreckt Zola nicht ab. Hem­mun­gen, sich im Inter­net selbst zu insze­nie­ren, hat er kei­ne. Damit pro­vo­ziert der jun­ge Mann. Und den­noch über­wiegt der Respekt für des­sen Arbeit, für die er mit sei­nem Motor­rad wei­te Stre­cken zurück­legt und viel riskiert. 

Zola wis­se sehr genau, wie weit er gehen kann, erklärt Regis­seur Maing in einem Inter­view mit Cool-NY. «Für Zola hat Zen­sur viel mit Selbst­zen­sur zu tun. Die­se Gren­zen lotet er aus. Er regt die Men­schen an, ihre Mei­nung zu äus­sern und muti­ger die sozia­len Medi­en zu verwenden.» 

Die Grosse Firewall überwinden.
Die Gros­se Fire­wall über­win­den. Foto: Ste­phen Maing

Der alte Kämpfer

Über Tiger Temp­le, den zwei­ten por­trä­tier­ten Blog­ger in High Tech, Low Life, liegt der­weil der Schat­ten der Ver­gan­gen­heit. Der 57-Jäh­ri­ge, des­sen rich­ti­ger Name Zhang Shi­he ist, muss­te als Kind mit­er­le­ben, wie sein Vater, ein hoher Beam­ter in der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei, zu einem Opfer der Kul­tur­re­vo­lu­ti­on wur­de. Die­se Erfah­rung prägt ihn bis heute. 

«Wir wur­den alle einer Gehirn­wä­sche unter­zo­gen, wir haben über so vie­le Jah­re hin­weg den Lügen zuge­hört», beschreibt Tiger Temp­le die Zen­sur in sei­nem Land. Für ihn ist die Suche nach Wahr­heit und Gerech­tig­keit eine mora­li­sche Ver­pflich­tung. Mit sei­nem Fahr­rad fährt er tau­sen­de Kilo­me­ter durchs gan­ze Land, um auf sozia­le und öko­lo­gi­sche Miss­stän­de auf­merk­sam zu machen. Die Jah­re haben Tiger Temp­le erfah­ren gemacht. Er weiss, wie er sich aus­zu­drü­cken hat. So kommt es vor, dass er sei­ne Geschich­ten auch schon mal aus der Per­spek­ti­ve sei­ner Kat­ze erzählt. 

Tiger Temp­le ist mehr als nur ein Blog­ger. Sei­ne Bezug zu den Men­schen, über die er berich­tet, ist eng. Selbst Jah­re spä­ter fragt er für­sorg­lich nach ihrem Wohl­be­fin­den, er unter­stützt sie bei recht­li­chen Fra­gen, bringt ihnen Essen und Geld. Sein muti­ges Vor­ge­hen und sein Ver­weis auf sozia­le Unge­rech­tig­kei­ten zah­len sich aus. Er bringt etwas in Bewe­gung und ver­bes­sert die Lebens­um­stän­de eini­ger Gemeinschaften. 

Der Preis, den er dafür bezah­len muss, ist hoch. Die Behör­den machen ihm mit nächt­li­chen Raz­zi­en das Leben schwer. Sein Ver­mie­ter muss Tiger Temp­le aus der Woh­nung wer­fen. Doch Tiger Temp­le lässt sich nicht unter­krie­gen, weil ihm die mora­li­sche Ver­pflich­tung wich­ti­ger ist als sein eige­nes Leben. «Tiger bringt die his­to­ri­sche Per­spek­ti­ve in den Film ein. Das half uns, bei­de por­trä­tier­ten Cha­rak­te­re bes­ser zu ver­ste­hen», erklärt Maing. 

Tiger Temple.
Tiger Temp­le. Foto: Ste­phen Maing

Zwei Gene­ra­tio­nen

Die unver­rück­ba­ren Lebens­ein­stel­lun­gen von Tiger Temp­le und Zola machen High Tech, Low Life zu einem Film, der beein­dru­ckend auf­zeigt, dass selbst die gröss­te Staats­macht und die schärfs­ten Zen­sur­me­tho­den nicht alle Men­schen von ihrem Drang nach einer freie­ren und gerech­te­ren Gesell­schaft abhal­ten können.

Und genau hier lie­gen die Gemein­sam­kei­ten der unter­schied­li­chen Blog­ger, die sich am Ende des Films zum ers­ten Mal begeg­nen. Es sind zwei Men­schen, wel­che mutig die Gren­zen der Zen­sur her­aus­for­dern. «Es gibt vie­le Sor­ten von Krie­ger. Du bist ein ver­spiel­ter Krie­ger», lässt der Älte­re den Jün­ge­ren respekt­voll wis­sen. Für Regis­seur sind Zola und Tiger Temp­le die per­fek­te Ergän­zung: «Einer schaut in die Ver­gan­gen­heit, der ande­re in die Zukunft. Die Kom­bi­na­ti­on der bei­den wirft ein inter­es­san­tes Licht auf Chi­nas Gegenwart.» 

High Tech, Low Life fei­ert die­sen Sonn­tag im Alter­na­tiv­ki­no Deutsch­schweiz-Pre­mie­re. Tickets sind hier erhält­lich.

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