Selbstmord mit Folgekosten
Tokio unterhält das weltweit dichteste Bahnnetz. Jeden Morgen sind die Züge, welche die Pendler zur Arbeit fahren, zum Bersten voll. Sie sind die Lebensader der japanischen Wirtschaft.
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Verspätungen oder Unfälle können die gut geölte Maschinerie gehörig ins Stocken bringen. Die Ansprüche an die Bahnbetreiber sind hoch. Entsprechend zuverlässig werden Vorkommnisse und selbst kleinste Verspätungen von den Bahnbetrieben schnell und effizient kommuniziert.
So kam es gestern zu einem Zwischenfall, als ein Zugführer der Tokioter Ginza-U-Bahnlinie kurz vor 9 Uhr über heftige Magenschmerzen klagte, wie die Mainichi Shimbun berichtet. Der Angestellte musste notfallmässig ins Krankenhaus gefahren werden. Die Ginza-Linie wurde zwischenzeitlich gestoppt. 33 Minuten nach dem Vorfall wurde der Betrieb wieder aufgenommen. 24’000 Passagiere kamen dadurch verspätet an ihr Ziel. Auch diese Zahl wird von der Betreibern stets zuverlässig nachgeliefert.
Selbstmord im Bahnhof
Dass Tokios überlastetes Bahnnetz wegen Bauchschmerzen eines Angestellten ins Stocken gerät, gehört noch zur harmlosen Kategorie. Denn die häufigste ausserbetriebliche Ursache für Unterbrüche und Verspätungen sind Selbstmorde. 2008 kam es laut Verkehrsministerium zu 647 Selbstmordversuchen in Bahnhöfen und bei Bahnübergangen in Japan, 547 davon endeten tödlich. Alleine 388 Fälle ereigneten sich in Tokio. Damit kommt es statistisch gesehen täglich zu einem Suizidversuch im öffentlichen Verkehrsnetz der Hauptstadt.
Entsprechend regelmässig berichten die japanischen Zeitungen von solchen Zwischenfälle. Erst letzte Woche warf sich laut Nishi Nippon Shimbun ein Mann in Kobe vor den Zug, was zur Folge hatte, dass 46 Züge und rund 73’000 Passagiere bis zu 76 Minuten Verspätung hatten.
Hinterbliebene zur Kasse gebeten
Den Bahngesellschaften kommen Selbstmordfälle teuer zu stehen. Durchschnittlich 89 Millionen Yen (ungefähr 650’00 Euro) kostet gemäss Verkehrsministerium eine durch Selbstmord verursachte Bahnstörung. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass seit ein paar Jahren die Angehörigen für den finanziellen Schaden zur Kasse gebeten werden können. Die Massnahme soll als Abschreckung dienen.
Über die genauen Beträge, die gefordert werden, schweigen sich die meisten Bahnbetreiber aus. Einzig die Bahngesellschaft Keikyu, die Tokio mit Kawasaki, Yokohama und Yokosuka verbindet, machte auf Anfrage von J-Cast eine ungefähre Angabe. Maximal 1 Million Yen (7311 Euro) werde bei den Hinterbliebenen eingefordert.
Die Yamanote-Rundlinie setzt derweil auf eine unkonventionellen Präventionsmassnahme. In ihren Bahnhöfen findet man seit 2009 blaue LED-Lichter, welche potentielle Selbstmörder von ihrem Vorhaben, sich vor einen Zug zu werfen, abbringen sollen. Dem blauen Licht wird eine beruhigende Wirkung nachgesagt (Asienspiegel berichtete).
Eine effizientere Alternative ist die Errichtung von Schutzwänden an den Bahnsteigen, welche einen Sprung auf die Geleise gänzlich verunmöglichen. Diese vergleichsweise aufwendige bauliche Massnahme ist jedoch noch viel zu selten zu sehen. 2012 waren gemäss Bizmakoto.co.jp gerade mal 510 von insgesamt 9611 Bahnhöfen in Japan mit Schutzwänden ausgerüstet.
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