Der Ruf nach Einwanderern

Eine Wirtschaft, die wachsen will, braucht Menschen, die arbeiten und konsumieren. Als Japan nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden war, lebten 70 Millionen Menschen im Land. Es folgte der Wiederaufbau und Jahrzehnte des ungebremsten Wachstums. Getragen wurde dieses Wirtschaftswunder von der eigenen Bevölkerung, die bis 1990 auf 123 Millionen anwuchs und 2010 mit 128 Millionen ihren Höhepunkt erreichte.
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Auf Immigranten verzichtete das Land. Nur 1,59 Millionen Ausländer leben heute in Japan. Flüchtlinge werden kaum aufgenommen. Erst 1981 wurde überhaupt ein System für Asylanträge eingeführt (Asienspiegel berichtete).
Der japanische Weg gerät nun aber in eine Sackgasse. Seit 2010 schrumpft die Bevölkerungszahl. Letztes Jahr waren es noch 127 Millionen. Es mangelt an Nachwuchs. Nur noch 16,49 Millionen Japaner sind unter 14 Jahren, während die Rentner inzwischen fast 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen. In den Jahrzehnten des Babybooms nach dem Zweiten Weltkrieg waren noch 35,4 Prozent unter 14 Jahren (Asienspiegel berichtete).
Düstere Zukunftsprognosen
Um die Bevölkerungszahl auf dem gleichen Niveau zu halten, wäre eine Geburtenrate von 2,07 notwendig. Heute liegt diese aber bei tiefen 1,41 (Asienspiegel berichtete). Und so altert Japans Gesellschaft unaufhaltsam dahin. Während das Land immer mehr Schulen schliessen muss (Asienspiegel berichtete), steigen die Kosten für Pension und Gesundheit ins Unermessliche.
Geht es so weiter, wird Japan im Jahr 2048 wieder weniger als 100 Millionen Einwohner haben. 2060 wird die Zahl gar auf 86 Millionen fallen (Asienspiegel berichtete). Eine aktuelle Studie der Regierung besagt, dass 2110 nur noch 42 Millionen Menschen in Japan leben werden.
Personalmangel in Japan
Was diese Entwicklung für die Wirtschaft bedeutet, ist bereits heute spürbar. Japans Gesundheitsbranche und Bauindustrie kämpfen mit einem Mangel an Arbeitskräften. Die gigantischen Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten in der vom Tsunami verwüsteten Region im Nordosten des Landes beanspruchen viel Personal.
Und nun hat sich Japan mit den Sommerspielen 2020 in Tokio die nächste Bürde auferlegt. Rund 25’000 Arbeiter werden laut Bloomberg für den Aufbau dieser Infrastruktur benötigt. Die Lage ist derart akut, dass die Regierung laut Kabinettssekretär Yoshihide Suga noch dieses Jahr Massnahmen präsentieren möchte, um den Mangel mit ausländischen Arbeitern zu beheben.
Seit Jahren fehlt es auch an Krankenpflegern. Mit befristeten Arbeitsbewilligungen für Personal aus Südostasien versucht man die Situation in den Griff zu kriegen. Gleichzeitig sind die Visumsvorgaben und Prüfungshürden für die betroffenen Personen so hoch, dass viele wieder in ihr Heimatland zurückkehren (Asienspiegel berichtete).
200’000 Einwanderer pro Jahr
Der von Premierminister Shinzo Abe viel beschworene Wirtschaftsaufschwung droht an den demographischen Tatsachen zu scheitern. Theoretisch gäbe es eine einfache Lösung. Mit jährlich 200’000 Einwanderern liesse sich der Bevölkerungsschwund zumindest stark verlangsamen, der Mangel an Arbeitskräften wäre behoben. Mit dieser Massnahme würden selbst in 100 Jahren noch immer 100 Millionen Menschen in Japan leben. Zu diesem Schluss kommt laut der Sankei Shimbun eine Expertengruppe der japanischen Regierung, die sich mit Zukunftsfragen befasst.
Was in der Theorie gut tönt, ist jedoch politisch kaum umsetzbar. Eine Einwanderungspolitik in diesem Ausmass wäre ein Experiment, das es so in der Geschichte des Inselstaates noch nie gegeben hat. Es wäre eine radikale Umkehr der bisherigen Ansatzes, einzig qualifizierte Fachkräfte ins Land zu lassen (Asienspiegel berichtete). So arbeiteten letztes Jahr 720’000 Ausländer in Japan. Zwischen 2012 und 2013 wuchs diese Zahl um 35’000. Das Sechsfache wäre jedoch nötig, um die Einwohnerzahl auf gleichem Niveau zu belassen.
Die japanische Regierung hat angekündigt, sich im Rahmen ihrer Wirtschaftsstrategie mit der Einwanderung in den nächsten Monaten zu befassen. Alleine die Erwähnung dieses Themas durch die konservative Regierungspartei ist ein Hinweis auf den dringenden Handlungsbedarf. Der Wiederaufbau sowie die Olympischen Spiele rufen nach mehr Arbeitern. Politischen Stillstand kann sich die Regierung in dieser Frage nicht leisten.
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