Tanzende Salarymen
Früher war Genki Sudo ein Kampfsportler für K1 und Ultimate Fighting – und dazu noch ziemlich erfolgreich. Sein Stil war ungewöhnlich. Wie einst Muhammad Ali tänzelte er seine Gegner schwindlig, wusste mit seiner unorthodoxen Gestik zu provozieren und schlug im richtigen Moment zu. Einmal zu Boden gebracht, verstand er seinen Gegner mit seiner Jiu-Jitsu-Technik geschickt auszuschalten.
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Für Genki Sudo begann der Kampf schon mit dem Einmarsch, den er jeweils zu einer aufwendig choreographierten Tanzeinlage umgestaltete, so als wäre man auf einer Veranstaltung von MTV. Der Paradies- und Spassvogel verstand es wie kein anderer die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. «We are all one» wurde zu seiner buddhistischen Friedensbotschaft an die Welt.
Seine Kritiker hielten Sudos Show für unangebracht, seine Fans konnten nicht genug davon kriegen. Auf jeden Fall wusste er, wie man die Zuschauer bei Laune hält. Sudos ungleicher Kampf gegen den dicken US-Boxer Butterbean ist an Unterhaltung kaum zu überbieten.
Vom Kampf zum Pop
2006 beendete er mit 28 Jahren seine bunte Kampfsport-Karriere. Denn Genki Sudo hatte noch andere Pläne. Er tauschte seine Sporthose mit dem Anzug und stieg 2008 in die Welt der Popmusik ein. Er gründete das Projekt World Order, eine 6-köpfige Tanzgruppe im Hintergrund und der Brillen tragenden Sudo als kreativer Kopf ganz zuvorderst.
Ihr Merkmal sind der einheitliche Salaryman-Look und der roboterhafte Tanzstil. Die öffentlichen Orte sind ihre Bühne, die ahnungslosen Passanten die Zuschauer. Die Musik von World Order ist eine ungewöhnliche Mischung zwischen europäischem Elektropop der 80er-Jahre und schlichtem japanischem J-Pop, die bei aller Choreographie zur Nebensache wird.
Der neue Stil Genki Sudos kommt an. Die Musikvideos der tanzenden Salarymen von World Order erreichen regelmässig ein Millionenpublikum und sind zu einem Schaufenster für Tokios lebendige Sub- und Popkultur geworden. Zur Abwechslung dürfen auch New York und Mexiko als Kulisse dienen. Die Band hat sich so einen weltweiten Namen als ungewöhnlich-schräges Kunstprojekt gemacht.
Tanz in der Geek-Kapitale
Der neuste Song Have a Nice Day widmet sich ganz dem Tokioter Geek-Viertel Akihabara. Die «Geschäftsleute» besuchen das Maid-Café (Asienspiegel berichtete) und inszenieren ein Treffen mit der noch schrilleren Girls-Band AKB48 (Asienspiegel berichtete).
Ein weiteres Mal kokettiert World Order gekonnt mit Japans Klischees. Nur wenige Tage nach nach Veröffentlichung des Videos wurden schon eine halbe Million Klicks gezählt. Einige westliche Medien meinen schon den neuen Gangnam-Style entdeckt zu haben. Dafür braucht es aber noch einiges mehr.
Genki Sudo hat sich neu erfunden, seinem Kampfsportler-Image ist er schon längst entwachsen. Und man fragt sich bereits, was der Kreativkopf als nächstes plant.

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