Ausländer für Japans Baustellen
Japans Baubranche kämpft seit Jahren mit einem notorischen Mangel an Arbeitskräften. Die gigantischen Wiederaufbauarbeiten in der vom Tsunami verwüsteten Region im Nordosten des Landes beanspruchen viel Personal. Und nun hat sich Japan mit den Sommerspielen 2020 in Tokio die nächste Bürde auferlegt (Asienspiegel berichtete). Laut SankeiBiz wird es Japans Baubranche in den nächsten sechs Jahren an insgesamt 150’000 Arbeitern fehlen.
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Japans Regierung steht vor einem Dilemma. Eine offizielle Einwanderungspolitik kennt das Land nicht. Einzig für den erleichterten Zulass von qualifizierten, ausländischen Fachkräften zeigte man sich bislang offen (Asienspiegel berichtete). Doch nun braucht das Land, dessen Bevölkerung immer älter wird und zahlenmässig schrumpft, massenweise Arbeitskräfte für seine neue Infrastruktur.
Um einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden, hat die Tokioter Regierung nun beschlossen auf ein Programm zurückzugreifen, das stark umstritten ist. Seit 1993 bietet Japan Menschen aus Entwicklungs- und Schwellenländern die Möglichkeit eines Praktikums an. Den Interessenten wird erlaubt während drei Jahren für einen Niedriglohn in Japan arbeiten. Im Gegenzug erhalten sie ein wertvolles Wissen über Japans Wirtschaft und Technologien, von dem sie nach der Rückkehr in die Heimat profitieren sollen. So lautet zumindest die offizielle Lesart.
Grosse Pläne
Geht es nach der Regierung sollen die dringend benötigten Bauarbeiter aus dem Ausland genau unter diese Kategorie fallen. Und weil drei Jahre nicht genug sind – die Sommerspiele sind erst in sechs Jahren – ist Tokio bereit, die Aufenthaltszeit zu verlängern. Nach dem 3-jährigen Praktikum, sollen die ausländischen Arbeiter die Möglichkeit erhalten, weitere zwei bis drei Jahre im Land für eine japanische Baufirma zu arbeiten, wie die Sankei Shimbun berichtet.
Mit dieser Massnahme sollen in den nächsten sechs Jahren mindestens 70’000 ausländische Bauarbeiter rekrutiert werden, schreibt die SankeiBiz. Zurzeit arbeiten rund 15’000 ausländische «Praktikanten» auf dem Bau. Es sind zumeist Chinesen und Vietnamesen.
«Erpresserische Arbeitsverträge»
Die Sache hat jedoch einen Haken. Das Programm für ausländische Praktikanten leidet unter einem denkbar schlechten Ruf. Lohn und Arbeitsbedingungen sind zumeist miserabel. Wiederholt gab es in den letzten Jahren Skandale, bei denen Praktikanten wegen Überarbeitung starben. Menschenrechtsorganisationen prangern an, die japanische Regierung öffne mit diesem Programm der modernen Sklaverei die Tür (Asienspiegel berichtete).
Das US-Aussenministerium hat neulich in einem Bericht das Praktikanten-Programm scharf kritisiert, auch wenn Japan in den letzten Jahren die Rechtslage für die Betroffenen verbessert habe. Dennoch gebe es immer noch Fälle, bei denen Firmen den Praktikanten die Pässe entziehen und ihnen kaum Freiheiten gewähren. Manche Arbeitsverträge seien schlichtweg «erpresserisch».
Eine weitere Kritik ist, dass die angekündigte Massnahme der ursprünglichen Zielsetzung des Praktikanten-Programms, der Technologie- und Wissenstransfer in Entwicklungsländer, überhaupt nicht gerecht wird.
Eine Verlegenheitslösung
Die japanische Regierung ist sich des Problems bewusst. Man werde die Umsetzung sehr vorsichtig angehen müsse, sagte Justizminister Sadakazu Tanigaki. Für Japans Regierung bleibt es die einfachste Lösung, um die derzeitige Einwanderungspolitik unberührt zu lassen. Denn in Japan stösst die Idee, künftig mehr Einwanderer ins Land zu lassen, auf wenig Rückhalt.
Stattdessen holt die Regierung billige, ausländische Arbeiter, mit dem Versprechen diese nach ein paar Jahren wieder in die Heimatländer zurückzuschicken. Ein langfristiger Lösungsansatz gegen Japans Arbeitermangel und Bevölkerungsrückgang ist dies kaum. Das Land steht erst ganz am Anfang einer Grundsatzdebatte über die Ausgestaltung einer nachhaltigen Einwanderungspolitik.
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