Das AKW vor der Grossstadt

Das umstrittene AKW Oma.
Das umstrit­te­ne AKW Oma. Screen­shot: youtube/​UHB­NEWS 北海道NEWS

Hako­da­te auf der Nord­in­sel Hok­kai­do und Oma am Nord­zip­fel der japa­ni­schen Haupt­in­sel Hons­hu lie­gen ledig­lich 23 Kilo­me­ter aus­ein­an­der. Dazwi­schen lie­gen eine Meer­enge und ein hef­ti­ger Streit um den Bau und Betrieb eines Atomkraftwerks.

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Die Gross­stadt Hako­da­te mit ihren knapp 300’000 Ein­woh­nern blickt auf eine viel­fäl­ti­ge Geschich­te zurück, die bis ins 16. Jahr­hun­dert zurück­reicht. Hier errich­te­ten die Japa­ner einer ihrer ers­ten Han­dels­pos­ten auf Hok­kai­do. Heu­te ist Hako­da­te mit sei­nem his­to­ri­schen Hafen­ge­biet und Häu­sern ein tou­ris­ti­scher Anziehungspunkt.

Die 6200 Ein­woh­ner von Oma hin­ge­gen leben mehr­heit­lich von der Fische­rei. Das ver­arm­te Dörf­chen sucht schon lan­ge nach wirt­schaft­li­chen Alter­na­ti­ven. Ende der 1970er-Jah­re kam wie in ande­ren von der Wirt­schaft ver­nach­läs­sig­ten Gegen­den die Idee auf, ein Kern­kraft­wert zu errichten.

Der frü­he­re staat­li­che Strom­kon­zern J-Power zeig­te Inter­es­se und begann im Dorf für den Bau zu wer­ben. Mit sei­ner Hil­fe ent­stan­den im Ver­lauf der Jah­re eine Biblio­thek, ein Sport­kom­plex und ein Swim­ming­pool, wie eine Repor­ta­ge der Washing­ton Post ein­drück­lich aufzeigt.

Der abrup­te Baustopp

Nach einem jah­re­lan­gen hin und her, wie es bei der Pla­nung von AKW in Japan üblich ist, wur­de 2008 der Grund­stein für das AKW Oma gelegt. Für J-Power, das haupt­säch­lich Koh­le- und Was­ser­kraft­wer­ke unter­hält, ist es das ers­te Atom­pro­jekt. Bis Ende 2014 woll­te man fer­tig sein mit dem Bau, dann kam am 11. März 2011 der Tsu­na­mi und die AKW-Kata­stro­phe von Fuku­shi­ma. Der schon weit fort­ge­schrit­te­ne Bau wur­de frei­wil­lig aus­ge­setzt, die nuklea­re Zukunft von Oma schien unge­wis­ser denn je.

Noch sind alle 48 Atom­re­ak­to­ren in Japan aus­ser Betrieb. Eine Mehr­heit der Japa­ner möch­te heu­te lie­ber aus der Nukle­ar­ener­gie aus­stei­gen (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Zur­zeit wer­den 16 Reak­to­ren auf die neu­en Sicher­heits­stan­dards der Nuklea­ren Regu­lie­rungs­be­hör­den geprüft (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Wann der Ers­te wie­der ans Netz geht, ist unbe­kannt. Die Regie­rung von Shin­zo Abe möch­te hin­ge­gen schnell wie­der zurück zur Atom­ener­gie. Für ihn sind die Reak­to­ren Garan­tie für Wirt­schafts­wachs­tum und eine sta­bi­le Ener­gie­ver­sor­gung, die heu­te mit teu­ren Gas- und Erd­öl­im­por­ten gesi­chert wer­den muss (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Zurück zur Nuklearenergie

Im Okto­ber 2012 gab die Vor­gän­ger­re­gie­rung unter Ex-Pre­mier Noda über­ra­schend grü­nes Licht für die Fort­set­zung des AKW-Baus in Oma, obwohl zuvor noch beschlos­sen wur­de, kei­ne neu­en Kern­kraft­wer­ke mehr zu bau­en. Oma sei von die­sem Ent­schluss aus­ge­nom­men, da die Bau­be­wil­li­gung vor der Kata­stro­phe in Fuku­shi­ma erteilt wor­den war, hiess es aus Tokio (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Für Oma waren dies gute Nach­rich­ten. Bür­ger­meis­ter Mit­su­ha­ru Kana­za­wa gab mit der Ein­wil­li­gung der Lokal­ver­samm­lung das OK zum Wei­ter­ma­chen. Seit­her wird wie­der fleis­sig gebaut. Mit dem Betrieb der Atom­re­ak­to­ren ver­spricht sich der Bür­ger­meis­ter Wohl­stand für sein Dorf. Neben vie­len Arbeits­plät­zen wird Oma auch mit staat­li­chen För­der­gel­dern zur Errich­tung von Schu­len und einem Kran­ken­haus rech­nen kön­nen. Ein­mal in Betrieb soll das AKW laut der Sank­ei Shim­bun der Gemein­de­kas­se innert vier Jah­ren rund 15 Mil­li­ar­den Yen (rund 105 Mil­lio­nen Euro) an Steu­er­gel­dern einbringen.

Hako­da­te wehrt sich

Bürgermeister Kudo zeigt anhand einer Karte die Nähe seiner Stadt zum geplanten AKW.
Bür­ger­meis­ter Kudo zeigt anhand einer Kar­te die Nähe sei­ner Stadt zum geplan­ten AKW. Screen­shot: FNN News

Doch es regt sich Wider­stand auf der ande­ren Sei­te der Tsu­ga­ru-Meer­enge. Hako­da­tes Bür­ger­meis­ter, Toshi­ki Kudo, will den Betrieb des AKW unter allen Umstän­den ver­hin­dern. Sei­ne Regie­rung hat nun eine Kla­ge gegen den japa­ni­schen Staat und J-Power ein­ge­reicht, mit der For­de­rung den Bau des AKW Oma sofort zu stop­pen. Die Kla­ge ist ein Novum in der Geschich­te Japans.

Kudo ist besorgt um die Sicher­heit sei­ner his­to­ri­schen Gross­stadt am Süd­zip­fel von Hok­kai­do. Denn ein Teil von Hako­da­te liegt noch inner­halb des 30-Kilo­me­ter-Radi­us des AKW Oma, eine Eva­ku­ie­rung bei einem Atom­un­fall wäre wohl unum­gäng­lich. Hako­da­te weiss von den Gefah­ren eines Tsu­na­mi. Das Hafen­ge­biet der Stadt wur­de am 11. März von der Wel­le erfasst.

Aus­ser­dem ent­sprä­chen die Sicher­heits­be­din­gun­gen in Oma der Vor-Fuku­shi­ma-Zeit, bemän­gelt die Stadt­re­gie­rung. Seit­her hät­ten kei­ne neu­en Über­prü­fun­gen gemäss den neu­en, ver­schärf­ten Stan­dards der Nuklea­ren Regu­lie­rungs­be­hör­den statt­ge­fun­den. Es feh­le an einem Eva­ku­ie­rungs­plan, dem Hako­da­te zuge­stimmt habe. Denn gemäss den neu­en Vor­ga­ben müs­sen alle loka­len Behör­den im Umkreis von 30 Kilo­me­tern eines Kern­kraft­wer­kes einen funk­tio­nie­ren­den Eva­ku­ie­rungs­plan für den Not­fall aus­ar­bei­ten (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Ein Prä­ze­denz­fall

Im Fal­le des AKW Oma sei die Sicher­heit nur zweit­ran­ging, kri­ti­siert Bür­ger­meis­ter Kudo. Er kön­ne ein sol­ches Vor­ge­hen nicht akzep­tie­ren. «Ich bin fest ent­schlos­sen, die­se Kla­ge zum Schutz der Stadt und der Bevöl­ke­rung durch­zu­zie­hen», liess Kudo gegen­über der Hok­kai­do Shim­bun ver­lau­ten. Um die Kos­ten für die Kla­ge zu decken, hat die Stadt Hako­da­te eigens eine Spen­den­ak­ti­on gestar­tet. In nur einer Woche sind so 5 Mil­lio­nen Yen (35’000 Euro) zusammengekommen.

Das Gericht wird nun ent­schei­den müs­sen, ob eine Stadt, die zwar kein AKW beher­bergt, aber in einem 30-Kilo­me­ter-Radi­us eines AKW liegt, ein Mit­spra­che­recht beim Bau eines solch risi­ko­rei­chen Pro­jekts hat. Es könn­te zum einem wich­ti­gen Prä­ze­denz­fall für alle Ort­schaf­ten wer­den, die in der Nähe eines Kern­kraft­werks liegen.

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