Vom Streit zur Städtediplomatie
Nur wenigen ist bekannt, dass Tokio und Peking 1979 eine offizielle Städtepartnerschaft eingegangen sind. Ausserdem sind die Chinesen mit über 160’000 Einwohnern die grösste ausländische Minderheit in der japanischen Hauptstadt. Die beiden Metropolen hätten genug Gründe, um einen intensiven Austausch zu pflegen.
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Als der nationalistisch geprägte Politiker Shintaro Ishihara jedoch 1999 Gouverneur Tokios wurde, kühlten sich die Beziehungen ab. Und spätestens seit er die Streitigkeiten um die Senkaku-Inseln anfachte, indem er 2012 ankündigte, im Namen der Präfektur Tokio einige der Inseln von ihren japanischen Privatbesitzern zu erwerben (Asienspiegel berichtete), herrscht zwischen China und Japan eine politische Eiszeit.
Premierminister Shinzo Abe wartet seit seinem Amtsantritt vergeblich auf ein Gipfeltreffen mit dem grossen Nachbarn. Und solange Abe nicht auf weitere Besuche im Yasukuni-Schrein verzichte, werde es kein Treffen auf höchster Ebene geben, hat die chinesische Regierung erst kürzlich verlauten lassen.
Nun hat sich aber eine neue diplomatische Tür geöffnet. Denn seit Februar heisst der neue Gouverneur Yoichi Masuzoe und dieser scheint zu Peking einen guten Draht haben.
Offizielle Einladung aus Peking
So hat die chinesische Hauptstadt Masuzoe zu einem dreitägigen Besuch eingeladen. Es ist das erste Mal seit 18 Jahren, dass ein Tokioter Gouverneur in offizieller Funktion nach Peking reist. Der Besuch zwischen dem 24. und 26. April soll vornehmlich zur Förderung des Austausches zwischen den beiden Metropolen dienen, heisst es. Masuzoe wird sich dabei mit Pekings Bürgermeister Wang Anshun treffen.
Laut Masuzoe werde ein Ziel der Reise sein, als Organisator der Sommerspiele 2020 von den olympischen Erfahrungen Pekings zu lernen. Gleichzeitig möchte der Gouverneur seine Hilfe bei der Bekämpfung des anhaltenden Smogs in der chinesischen Metropole anbieten (Asienspiegel berichtete).
Masuzoe weiss, dass sein Besuch noch weit mehr Bedeutung hat. Die Städtediplomatie verspricht einen Ausweg aus der Sackgasse auf nationaler Ebene. Es ist die erste sichtbare politische Annäherung seit vielen Monaten. Ein Treffen Masuzoes mit dem chinesischen Botschafter in Tokio hat die Einladung aus Peking möglich gemacht.
Abes Einverständnis
Die Regierungen beider Länder haben zudem ihr Wohlwollen über die Städtediplomatie zum Ausdruck gebracht. Man hoffe, dass sich der Besuch positiv auf die Freundschaft und das gegenseitige Verständnis zwischen den Hauptstädten auswirken werde, gab sich das chinesische Aussenministerium laut der Yomiuri Shimbun diplomatisch zuversichtlich.
Auch Premierminister Shinzo Abe hat sein Einverständnis zum Besuch Masuzoes gegeben. Der Tokioter Gouverneur soll den Premier am 10. April darüber unterrichtet haben, wie TBS News berichtet. Die beiden Politiker kennen sich schon lange. Yoichi Masuzoe war in Abes erstem Kabinett vor sieben Jahren Gesundheitsminister und bis 2010 in derselben Partei. Bei den Gouverneurswahlen trat er zwar als Unabhängiger an, durfte aber auf die Unterstützung von Shinzo Abe und den regierenden Liberaldemokraten zählen.
Die Idee einer Städtediplomatie mit Peking wurde bereits während den Gouverneurswahlen von Kandidat Morihiro Hosokawa eingebracht. Das Umfeld des Ex-Premiers deutete damals an, dass er bei einer erfolgreichen Wahl seine guten Kontakte zu China einbringen würde.
Die Idee einer Doppel-Diplomatie durch Abe-Kritiker Hosokawa stiess bei der Regierung Abe jedoch auf Ablehnung. «Wenn der Gouverneur der Hauptstadt aussenpolitisch eine andere Haltung einnimmt als der Regierungschef, könnten dies China und Südkorea zu ihrem Vorteil ausspielen», äussert sich ein Regierungsoffizieller damals besorgt (Asienspiegel berichtete).
Zwischen Hoffnung und Skepsis
Hosokawa scheiterte letztendlich mit seiner Kandidatur. Da nun mit Yoichi Masuzoe ein loser Verbündeter von Shinzo Abe im Gouverneursamt ist, steht dem Städteaustausch nichts mehr im Weg. Masuzoe betonte dabei, dass er die diplomatische Hoheit der Zentralregierung nicht in Frage stelle.
Dies unterstrich auch der japanische Kabinettssekretär Yoshihide Suga in einer Pressekonferenz. Er erhoffe sich durch den Besuch Masuzoes in Peking einen Fortschritt im lokalen, kulturellen und wirtschaftlichen Austausch. Von Politik oder Diplomatie war bewusst keine Rede.
Und so gibt es Stimmen, die am Erfolg von Masuzoes Mission so ihre Zweifel haben. Das Boulevardblatt Nikkan Gendai schreibt von einem Doppelspiel Pekings und bezeichnet Masuzoe als Opportunisten, der mit seinem Vorgehen Abes Autorität untergrabe.
Derweil meint Zhou Yongsheng von der China Foreign Affairs University gegenüber der South China Morning Post, dass man von diesem Städtetreffen nicht zu viel erwarten solle. «Es wäre nicht klug, mit einem diplomatischen Durchbruch in naher Zukunft zu rechnen. Abes Besuch im Yasukuni-Schrein hat die bilateralen Beziehungen nachhaltig beschädigt.»
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