Ein Urteil gegen die AKW-Branche
«Gewonnen, gewonnen, gewonnen», twitterte der ehemalige Premierminister Naoto Kan. Der Grund für seine Freude ist ein Urteil des Bezirksgerichts der Präfektur Fukui, das dem lokalen AKW Oi wegen Sicherheitsmängeln untersagt, die Reaktoren 3 und 4 wiederhochzufahren. Zum ersten Mal seit dem Unfall im AKW Fukushima hat damit ein Gericht in Japan den Betrieb eines AKW verboten. Naoto Kan schreibt von «einem äusserst wichtigen Grundsatzentscheid». Der ehemalige Regierungschef hat sich nach seinem Rücktritt zum offenen Anti-AKW-Aktivisten gewandelt (Asienspiegel berichtete).
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Die Klage eingereicht hatten 189 Personen kurz nachdem das AKW Oi im August 2012 wiederhochgefahren wurde. Sicherheitsmassnahmen wie beispielsweise ein Reaktorkühlsystem für den Notfall seien nur ungenügend oder gar nicht vorhanden, lautete der Vorwurf. Die damalige Regierung hatte die Reaktoren nach einem zügigen Sicherheitstest wieder in Betrieb nehmen lassen, um einen möglichen sommerlichen Stromversorgungsengpass in der Region Osaka zu verhindern (Asienspiegel berichtete).
Nun hat das Gericht den Kritikern, die an der Sicherheit des AKW zweifelten, Recht gegeben. «Wenn eine reale Gefahr besteht, dann ist es nur natürlich, dass man den Betrieb verbietet», sagte Richter Hideaki Higuchi. Der Betreiber des AKW Oi, Kansai Electric Power, hat derweil angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.
Im Zentrum der Atombranche
Pikant am Urteil ist, dass die Nukleare Sicherheitsbehörde (NRA) zurzeit Sicherheitstest im AKW Oi durchführt und noch keinen Entscheid bezüglich einer künftigen Betriebsbewilligung kommuniziert hat. So wurde das AKW Oi im September 2013 für gesetzlich vorgeschriebene Kontrollarbeiten wieder vom Netz genommen. Nach einigen baulichen Anpassungen durch Kansai Electric Power prüft die NRA nun, ob das AKW Oi die neuen strengeren Sicherheitsauflagen erfüllt.
Man werde unabhängig vom Gerichtsentscheid die Tests fortsetzen, liess Shunichi Tanaka, der Vorsitzende der NRA, nach der Urteilsverkündung in Fukui verlauten. Wegen des laufenden Verfahrens hatte das oberste Gericht von Osaka Anfang Monat eine ähnliche Klage lokaler Privatpersonen in zweiter Instanz abgewiesen. Man könne kein Urteil fällen, solange die NRA keinen Entscheid getroffen habe. Die Justiz hielt sich mit dieser Argumentation bislang aus der AKW-Frage heraus (Asienspiegel berichtete).
Das Gericht in Fukui beschreitet mit seinem Urteil nun einen neuen Weg. Das überrascht, weil gerade in dieser Präfektur 14 von 48 Reaktoren beheimatet sind. Nicht umsonst hat Fukui im Volksmund den Übernamen «nukleare Ginza» erhalten. Die Atombranche ist ein wichtiger Arbeitgeber in dieser wirtschaftlich sonst armen Region. Die Bewohner sind ihr gut gesinnt (Asienspiegel berichtete).
Alle Reaktoren abgeschaltet
Entsprechend gross ist die Freude bei den AKW-Gegnern über das Urteil. Nicht nur Naoto Kan, sondern auch die Nikkei Shimbun ist der Meinung, dass das Urteil einen Einfluss auf die Arbeit der Nuklearen Regulierungsbehörde haben könnte. Diese ist seit Monaten daran, rund 17 Reaktoren auf die neuen Sicherheitsstandards zu testen.
Erst wenn die NRA das OK gibt, können die Reaktoren wieder ans Stromnetz angeschlossen werden. Und so bleiben zurzeit alle 48 AKW-Reaktoren abgeschaltet. Es wird angenommen, dass das AKW Sendai auf der Südinsel Kyushu als erstes Atomkraftwerk wieder ans Netz gehen könnte. Premierminister Shinzo Abe möchte derweil lieber heute als morgen die ersten AKW wiederhochfahren lassen (Asienspiegel berichtete). Für ihn ist der Atomstrom ein wichtiger Pfeiler seines Wirtschaftsprogramms.
Der Fall Shika
Es ist übrigens nach 2006 erst das zweite Mal, dass ein Gericht den Stopp eines Reaktorbetriebs anordnet. Damals entschied das Bezirksgericht in der Nachbarpräfektur Kanazawa das lokale AKW Shika abzuschalten. Das Urteil wurde jedoch in der zweiten Instanz verworfen.
Auch für das AKW Oi könnte sich das Blatt noch wenden. Der damalige Richter in Kanazawa, Kenichi Ido, glaubt jedoch, dass dieses Mal die Umstände anders sind, wie er gegenüber der Nachrichtenagentur Jiji sagt. Nach Fukushima sei der Mythos von der absoluten Sicherheit in sich zusammengefallen. Das Gericht in Fukui habe nun bestätigt, dass ein AKW-Unfall ein realistisches Problem darstelle. Das Urteil könnte durchaus zu einem Umdenken führen, meint Ido.
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