Neuer Schub für AKW-Gegner
Japans nukleare Fahrtrichtung ist klar. Zumindest ein Teil der derzeit 48 abgeschalteten AKW-Reaktoren soll nach dem Willen der Regierung noch in diesem Jahr wieder hochgefahren werden. Im neu abgesegneten Energieplan bleibt der Atomstrom ein wichtiger Pfeiler für die Energieversorgung des Landes. Premierminister Abe setzt voll und ganz auf diese Technologie, in der Hoffnung seinem Wirtschaftsprogramm Schwung zu verleihen. Noch fehlt aber die Einwilligung der Nuklearen Regulierungsbehörde, die seit Monaten ein Dutzend Reaktoren auf die neusten Sicherheitsbestimmungen prüft (Asienspiegel berichtete).
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Für die Anti-AKW-Bewegung mag die derzeitige Entwicklung ein Rückschlag sein, zumal bei den Gouverneurswahlen von Tokio im Februar ihre Kandidaten verloren haben. Mit Kenji Utsunomiya und Ex-Premier Morihiro Hosokawa gab es gleich zwei namhafte Anti-AKW-Kandidaten, welche sich gegenseitig die Stimmen streitig machten. Eine Zusammenarbeit kam für die beiden jedoch nicht in Frage. Die Niederlage war vorprogammiert (Asienspiegel berichtete). Auch die Unterstützung von Ex-Premier Koizumi für Hosokawa brachte keinen Erfolg.
Doch so schnell geben die beiden Ex-Regierungschefs nicht auf. Zusammen haben sie eine Organisation gegründet, welche sich für die Abschaffung der Atomenergie und die Förderung erneuerbarer Energien in Japan einsetzen wird. Japan Assembly for Nuclear Free Renewable Energy (自然エネルギー推進会議) nennt sich das, wie die Tokyo Shimbun berichtet.
«Eine grosse Lüge»
Trotz der verlorenen Schlacht im Februar werde er sich weiterhin für ein Land einsetzen, das frei von Atomenergie sein werde, liess Koizumi bei der Gründung der Organisation wissen. Es seine eine «grosse Lüge», dass die Atomenergie sicher, billig und sauber sei, sagte er laut NHK News. «Wir müssen uns der erneuerbaren Energien zuwenden, um eine Gesellschaft zu erschaffen, die frei von Angst vor radioaktiver Strahlung ist», fügte Morihiro Hosokawa hinzu, der als neuer Vorsitzender der Organisation agiert.
Unterstützung erhalten der 76-jährige Hosokawa und der 72-jährige Koizumi von einer ganzen Reihe Prominenter. Dazu gehören Schauspielerin Sayuri Yoshinaga, der renommierte, eingebürgerte Gelehrte Donald Keene (Asienspiegel berichtete) oder auch Katsunobu Sakurai, der sich als engagierter Bürgermeister der Stadt Minamisoma, die gleich bei der Sperrzone liegt, einen Namen gemacht hat (Asienspiegel berichtete).
Eine neue Strategie
Die Strategie hat sich ebenfalls geändert. Die beiden wollen nicht mehr direkt in die Politik einsteigen, sondern vielmehr eine nachhaltige, breit abgestützte, landesweite Bewegung in der Bevölkerung schaffen, die auch auf politische Entscheidungen einen Einfluss ausüben kann. Mit lokalen Versammlungen, aber auch mit der Unterstützung von Anti-AKW-Kandidaten in den Lokalwahlen diesen Herbst und im nächsten Jahr soll die Vision der Organisation umgesetzt werden.
Die Taktik ist nicht so abwegig. Denn bislang fehlt es an einer schlagkräftigen Bewegung in Japan, die mit einflussreichen Politikern auch auf nationaler Ebene etwas verändern kann. Die Unterstützung wäre da. Eine Mehrheit der Bevölkerung befürwortet im Gegensatz zur aktuellen Regierung den AKW-Ausstieg (Asienspiegel berichtete).
Ob die Anti-AKW-Gegner mit den beiden Ex-Regierungschefs zu einer Stimme finden werden, muss sich erst weisen. Gerade Ex-Premier Koizumi ist wegen seiner früheren konservativen Regierungspolitik bei vielen langjährigen Anti-AKW-Gegnern äusserst umstritten.
Koizumis Anti-AKW-Haltung
Junichiro Koizumi überraschte im letzten Jahr die Öffentlichkeit, als er sich vom Befürworter zum entschlossenen Anti-AKW-Gegner wandelte. Mit seiner neuen Haltung sorgte er bei seinem ehemaligen politischen Schützling Shinzo Abe für einige Verwirrung.
Koizumis wundersame Bekehrung zum AKW-Gegner ereignete sich nach einer Finnland-Reise, wo er zusammen mit japanischen AKW-Herstellern ein im Bau befindliches Atommüllendlager in Onkalo besuchte (Asienspiegel berichtete). Diese finnische Megastätte ist so konzipiert, dass der Atommüll für 100’000 Jahre gelagert werden kann. Anstatt sich begeistert über die Sicherheit zu zeigen, kamen bei Koizumi Zweifel auf. So fragte er sich, wie man künftige Generationen daran hindere, diese gefährliche Stätte auszugraben.
Es gebe in Japan keine Aussicht auf eine sichere Endlagerung des Atommülls, meinte Koizumi bei einer öffentlichen Pressekonferenz im letzten November. Es gebe daher nur eine Schlussfolgerung: «Die AKW-Reaktoren dürfen daher nicht wiederhochgefahren werden. Im Gegenteil, sie sollten so schnell wie möglich beseitigt werden.»
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