«Kriegst Du etwa keine Kinder?»
Die 35-jährige Ayaka Shiomura sitzt als Abgeordnete der Your Party (Minna no To) im Tokioter Lokalparlament. In einer Rede während einer Parlamentssitzung setzte sich die junge Politikerin für die staatliche Unterstützung für Frauen ein, die Anzeichen der Unfruchtbarkeit zeigen oder Hilfe bei der Schwangerschaft sowie beim Grossziehen der Kinder benötigen.
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Es ist ein mehr als legitimes Anliegen, zumal Japan mit einer Überalterung der Gesellschaft zu kämpfen hat und dringend auf eine kinderfreundlichere Familienpolitik angewiesen ist. Selbst der konservative Premierminister Shinzo Abe hat die Frauen als «die grösste ungenutzte Ressource» bezeichnet und angekündigt, die Frauen besser in die Wirtschaft integrieren zu wollen (Asienspiegel berichtete).
«Am besten heiratest Du ganz schnell!»
Doch ausgerechnet einige Abgeordnete von Abes Regierungspartei zeigen wenig Interesse an einem gesellschaftlichen Umdenken. «Wäre es für Dich nicht besser zu heiraten?», «Am besten heiratest Du ganz schnell!», «Kriegst Du etwa keine Kinder?», mit solchen sexistischen Zwischenrufen versuchten sie, die 35-jährige Politikerin während ihrer Rede zu verunglimpfen, wie ein Beitrag von ANN News zeigt.
Vertreter der Your Party und der oppositionellen Demokratischen Partei haben gegen das Verhalten der LDP-Abgeordneten protestiert. Die Äusserungen seien nichts anderes als «sexuelle Belästigung», meinten die Kommunisten laut der Asahi Shimbun. Die LDP hielt sich derweil zurück. Man könne nicht bestätigen, dass die beleidigenden Rufe aus ihren Reihen gekommen seien.
Shiomura selbst zeigte sich in einem Interview mit bengo4.com zutiefst enttäuscht. Es habe sich wie bei einem Mobbing in der Schule angefühlt. Es sei bedauerlich, dass ihre Meinung nicht einmal im Parlament angehört werde. Denn sie wisse nur zu gut, unter welchem Druck die heutigen Frauen stünden.
Die Frauen sollen alles lösen
Tatsächlich erwartet die japanische Politik von den Frauen Übernatürliches. Sie sollen heiraten und Kinder kriegen, um das demographische Problem zu bewältigen und gleichzeitig erwartet man, dass sie sich noch mehr in die Wirtschaft einbringen, um den Personalmangel zu bekämpfen, ohne dass dabei die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden.
Bis heute bleibt den Frauen faktisch nichts anderes übrig als sich zwischen Beruf und Kinderwunsch zu entscheiden. Beides zu kombinieren stösst gerade in der japanischen Unternehmenskultur auf wenig Akzeptanz. Staatliche Tagesstätten sind rar gesät und teuer. Die Warteliste für einen Betreuungsplatz ist lang.
Ein späterer beruflicher Wiedereinstieg ist schwierig und oft nur im Teilzeitverhältnis möglich. Nur ein Drittel der japanischen Mütter von jungen Kindern sind heute im Berufsleben tätig. Gleichzeitig wählen immer mehr Frauen den Berufsweg und damit die Unabhängigkeit, mit der Folge, dass sie auf Kinder verzichten müssen.
Der letzte Platz
Der alljährlich neu erscheinende Bericht des World Economic Forum zur Situation der Gleichstellung zwischen Mann und Frau erteilt Japan regelmässig schlechte Noten. In der letztjährigen Bewertung lag Japan auf dem 105. von 136 Plätzen (Asienspiegel berichtete).
Und so sind die abfälligen Äusserungen der Abgeordneten auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Damit aus Abenomics auch Womenics wird, hat der Premierminister noch viel zu tun. Anfangen muss er dabei in den eigenen Reihen.
wurde über 29’000 Mal verbreitet. Alle 25 weiblichen Abgeordneten des 127-köpfigen Parlaments haben beim Parlamentspräsident Beschwerde eingereicht. Shiomura hat gemeinsam mit ihrer Partei den Präsidenten zudem offiziell aufgefordert, die Personen, welche die Äusserungen tätigten, ausfindig zu machen und Massnahmen zu ergreifen. In einer Online-Petition auf change.org, welche von der LDP verlangt, die Schuldigen zu bestrafen, wurden in kürzester Zeit 50’000 Unterschriften gesammelt.)Update, 20. Juni 2014
In Japan haben die Zwischenrufe eine Welle der Empörung ausgelöst. Über 1000 Beschwerde-E-Mails und Telefonanrufe aus der Bevölkerung hat das Stadtparlament inzwischen erhalten. Shiomuras Twitter-Mitteilung zum Zwischenfall (siehe unten
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