Tanzen für 2020
Japans Ausgehszene versteht die Welt nicht mehr. Seit 2010 hat die Polizei unzählige Razzien in den Clubs in Osaka, Nagoya und Tokio durchgeführt. Viele Betriebe mussten temporär oder für immer schliessen. Ihre Besitzer fühlen sich die Willkür ausgesetzt. Möglich macht dieses harte Durchgreifen der Polizei das sogenannte Fueiho-Gesetz aus dem Jahr 1948, welche alle Bereiche der Unterhaltungsindustrie, vom Rotlicht übers Glücksspiel bis hin zu ganz normalen Tanzclubs, Bars und gar Tanzschulen reguliert.
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Demnach braucht jede Lokalität, die eine Tanzfläche anbietet, eine Bewilligung von den lokalen Behörden. Besitzt man einmal eine solche Lizenz, muss jeweils spätestens um Mitterncht der Betrieb geschlossen werden. Das Gesetz verbietet zudem jeglichen Tanz, der die sexuelle Moral gefährdet, ohne dies genauer zu definieren. Damals, als es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg darum ging, die grassierende Kriminalität und Prostitution effizient zu bekämpfen, mochte das Gesetz noch Sinn gemacht haben. Aber weil sich heutzutage kein moderner Club diese Vorgaben mehr leisten kann, haben die meisten Besitzer auf eine Tanz-Bewilligung verzichtet, um nicht den strikten Fueiho-Restriktionen zu unterliegen und die Öffnungszeiten weit in die Morgenstunden verlängern zu können.
Die Polizei drückte ein Auge zu. Während Jahrzehnten konnten die Club-Besitzer darauf zählen, dass sie wegen tanzenden Gästen nicht in Schwierigkeiten geraten würden. Lärmklagen, Gewalttaten und vereinzelte Drogenskandale haben jedoch dazu geführt, dass die Polizei das Gesetz von 1948 wieder anzuwenden begann (Asienspiegel berichtete). Das bedeutete plötzlich, dass man zwar feiern durfte, aber auf keinen Fall tanzend feiern. Uns so trifft man bis heute auf zahlreiche «Bitte nicht tanzen»-Warnschilder in den Tokioter Bars.
Die Wende
Zum prominentesten Fall wurde die Razzia des Osakaer Clubs Noon und die anschliessende Verhaftung von dessen Besitzer Masatoshi Kanemitsu, der einen guten und unbescholtenen Ruf in der Szene genoss. Die Schliessung des Clubs Noon sorgte für eine Welle der Empörung. Der Dokumentarfilm Save the Club Noon und die mediale Berichterstattung machten die Problematik schliesslich einem grösseren Publikum bekannt (Asienspiegel berichtete).
Seit Masatoshi Kanemitsu vom Gericht freigesprochen wurde, kommt Bewegung in die Angelegenheit. Nun hat offenbar auch die Regierung ein Einsehen, nachdem eine Beratergruppe für ordnungspolitische Reformen Premierminister Shinzo Abe die Lockerung des Fueiho-Gesetzes empfohlen hat.
Laut der Yomiuri Shimbun soll noch bis im Herbst eine Gesetzesrevision ausgearbeitet werden, die gewöhnlichen Clubs neu den Betrieb bis in die Morgenstunden erlauben soll. Es wird sogar in Betracht gezogen, die Tanzclubs gänzlich vom Fueiho-Gesetz zu trennen. Um Klagen aus der Nachbarschaft zu verhindern, sollen für die Betreiber im Gegenzug neue Vorlagen zur Reduzierung des Lärms in der Nachbarschaft gelten.
Das Umdenken
Der Grund für das plötzliche Umdenken von höchster Stelle sind die olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio. Bis dann sollen die Clubs zu einer wichtigen Attraktion für die Tausenden von ausländischen Besucher in der japanischen Hauptstadt werden. Der Tourismus soll in den kommenden Jahren zu einem zentralen Pfeiler für die Wirtschaft werden. Bis 2020 will die Regierung laut der Nikkei Shimbun die Zahl der ausländischen Touristen von heute jährlich 10 Millionen (Asienspiegel berichtete) auf 20 Millionen verdoppeln.
Ein restriktives Gesetz bezüglich der Ausgehmöglichkeiten wäre so betrachtet kontraproduktiv. Spiele ohne Tanz kann sich offenbar selbst die konservative Regierung nicht vorstellen.
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