Die groteske Pressekonferenz
Der 47-jährige Ryutaro Nonomura ist seit 2011 Abgeordneter im Parlament der Präfektur Hyogo, deren Hauptstadt die historische Hafenstadt Kobe ist. Es ist die erste Amtszeit des unabhängigen Politikers und offenbar scheint er diese in vollen Zügen zu geniessen.
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So stellte sich in einem am 30. Juni veröffentlichten parlamentarischen Geschäftsbericht heraus, dass Nonomura 2013 ganze 195 Geschäftsreisen unternommen hatte. 3 Millionen Yen (22’000 Euro) hat er dafür aufgewendet, wie die Kobe Shimbun berichtet. Bezahlt wurden diese Reisen aus der Staatskasse. Das ist erlaubt, solange es sich um eine Tätigkeit im Rahmen der politischen Arbeit als Abgeordneter handelt. Weil aber Nonomuras zahlreiche Unternehmungen einige Fragen offen liessen, lag es auf der Hand, dass der Präsident des Parlaments nachfragte.
Verdächtig ist, dass Nonomura weder Quittungen noch sonst irgendwelche Belege hinterlegen konnte, welche beweisen, dass er auch tatsächlich auf politischer Dienstreise war. Auch von seiner Tätigkeit vor Ort gibt es keinen einzigen Bericht. Er gab für die Bücher lediglich an, wo er hingegangen war. Nach Sayo und in den berühmten Badeort Kinosaki, sowie in die weiter entfernten Städte Fukuoka und Tokio führten ihn die 195 Reisen. Laut Asahi Shimbun zeigte sich Nonomura auch in den Jahren 2012 und 2011 überaus reisefreudig. Auch damals fehlte es an den entsprechenden Belegen.
Eine Vorstellung für Youtube
Und so kam es, dass Nonomura nicht nur vor dem Parlamentspräsidenten aussagen musste, sondern auch noch gleich eine Pressekonferenz in Kobe gab. Anstatt sich zu erklären, wählte Nonomura einen ganz eigenen Weg, der an Theatralik seinesgleichen sucht. «Ich habe die Dienstreisten getätigt», beteuerte er lauthals weinend, mochte sich aber gleichzeitig weder an die genaue Tätigkeit, noch an die benutzten Verkehrsmittel erinnern. Er habe zudem nicht gewusst, dass man eine Empfangsbestätigung am Fahrkartenautomaten ausdrucken lassen könne.
Seine Heulattacken wirkten so grotesk-komisch, dass seine Pressekonferenz innert eines Tages zum japanischen Youtube-Renner wurde. Während der Pressekonferenz wechselte sein Tonfall von ruhig über schluchzend bis laut schreiend. Sein Repertoire erstreckte sich bis zum dramatischen Faustschlag auf den Tisch. Die Aussagen wirkten verwirrend: «Ich wurde gewählt, um diese Gesellschaft zu verändern…die alternde Bevölkerung ist nicht nur ein Problem unserer Präfektur…ich habe mein Leben dafür riskiert.…das verstehen Sie bestimmt nicht!»
Nicht illegal gehandelt
Am Ende deutete Nomura an, dass er womöglich bereit wäre die Ausgaben zurückzuzahlen. Von einer Entschuldigung war jedoch nichts zu hören. Laut Präfekturbüro hat Nonomura zwar nicht illegal gehandelt, dennoch bedauert der Parlamentspräsident den Vorfall, wie NHK News berichtet. Das Vertrauen habe dadurch gelitten. Man werde die Prozedur für die Spesenanträge anpassen müssen.
Nonomura hat es mit seinem bühnenreifen Auftritt inzwischen zu zweifelhafter nationaler Berühmtheit gebracht. Nicht nur auf Youtube, sondern auch auf Twitter ist seine Pressekonferenz das Gesprächsthema. Unzählige Fotomontagen seiner Gestik verbreiten sich in den sozialen Medien (siehe unten). «Er weint so vorbildlich wie in Nordkorea», meint User @jinguiko dazu. Ob sich Nonomura damit die Wiederwahl sichert, ist zu bezweifeln.
Update, 11. Juli 2014
Ryutaro Nonomura hat dem Parlamentspräsidenten sein Rücktrittsschreiben eingereicht. Zu den Vorwürfen hat er nicht weiter Stellung genommen, obwohl er mehrmals dazu aufgefordert wurde.
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