Das AKW unweit von Tokio
Auf dem Gelände des AKW Tokai in der Präfektur Ibaraki begann das japanische Atomstromzeitalter. Hier wurde Asiens erster kommerzielle Kernreaktor in den 1960er-Jahren in Betrieb genommen, der bis 1998 seinen Dienst tat. Der zweite 1978 gebaute Reaktor 2 ist seit dem Tsunami vor drei Jahren provisorisch abgeschaltet.
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Die Welle hatte ein Kühlpumpensytem sowie einen Teil der Dieselgeneratoren für die Notstromversorgung zerstört. Dennoch gelang es Betreiber Japan Atomic Power die Lage unter Kontrolle zu bringen. Eine grössere Katastrophe wäre auch in Tokio, das nur 115 Kilometer entfernt liegt, nicht unbemerkt geblieben. Zum Vergleich: Das havarierte AKW Fukushima liegt 240 Kilometer von der Hauptstadt entfernt.
Der damalige Bürgermeister der Kleinstadt Tokai-Mura, Tatsuya Murakami, wurde nach der Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 zu einem erklärten Gegner des lokalen Atomkraftwerks, was ihm auch international viel Aufmerksamkeit einbrachte. Er forderte offen die endgültige Abschaltung des letzten Reaktors. «Japan ist weder berechtigt noch fähig dazu, ein AKW zu kontrollieren», war seine unmissverständliche Haltung.
Unruhe im Dorf
Murakami ist inzwischen einer der bekanntesten AKW-Gegner. Die Erfahrungen in der Vergangenheit haben ihn geprägt. In Tokai kam es 1999 in einer Fabrik der Firma JCO Co., wo Uran verarbeitet wird, zu einer gefährlichen nuklearen Kettenreaktion, bei der mindestens 150 Menschen starker Radioaktivität ausgesetzt wurden und zwei Arbeiter starben. Murakami, der damals schon Bürgermeister war, liess das Gebiet in einem Radius von 350 Metern vollständig evakuieren. Er verzichtete dabei, noch lange auf Anordnungen aus Tokio zu warten.
Die Aktion brachte Murakami viel Respekt ein. Mit seiner Haltung nach Fukushima hat er aber in seinem Städtchen mit knapp 40’000 Einwohnern nicht nur Freunde gemacht. In Tokai sind viele von der Atombranche abhängig. Bei diesen Personen war die Erleichterung gross, als Murakami 2014 nach 16 Jahren als Bürgermeister zurücktrat. Sein Nachfolger Osamu Yamada ist zwar der ehemalige Vize von Murakami, hat sich aber in der Atomfrage als «neutral» positioniert.
Antrag auf Neustart
Japan Atomic Power hat im Mai bei der Nuklearen Regulierungsbehörde (NRA) einen Antrag auf Wiederhochfahren des AKW Tokai 2 gestellt. Es ist das älteste Kraftwerk, das von den Behörden derzeit auf die Sicherheit getestet wird. Ein Tsunami-Schutzwall von 18 Metern Höhe wurde errichtet, das AKW noch stärker gegen Erdbeben gesichert.
Noch muss die Infrastruktur aber in vielen Punkten erneuert werden. Viele Fragen bleiben offen. So sollen bis 2016 Entlüftungsfilter installiert werden. Ausserdem scheint es wegen der alten Infrastruktur nicht möglich zu sein, neue feuersichere elektrische Kabel zu installieren, was eigentlich eine zentrale Bedingung der NRA ist.
Die Sicherheitsmassnahmen werden laut Schätzungen der Japan Atomic Power am Ende bis zu 78 Milliarden Yen (570 Millionen Euro) kosten, wie die Asahi Shimbun berichtet.
Bis zu 960’000 Evakuierte im schlimmsten Fall
Auch der neu gestaltete Entwurf für einen Evakuierungsplan der Präfektur Ibaraki lässt aufhorchen. Demnach müssten bei einem schweren AKW-Unfall bis zu 960’000 Menschen im Umkreis von 30 Kilometer evakuiert werden, wie die Tokyo Shimbun berichtet.
Und weil Ibaraki nicht die Kapazitäten hätte, so viele Menschen in provisorischen Unterkünften unterzubringen, wäre der Plan, rund 520’000 Menschen in die fünf Nachbarpräfekturen zu verlegen. Kein anderes AKW in Japan zählt derart viele Bewohner in seinem nächsten Umkreis.
Keine Alternativen
Japan Atomic Power möchte ungeachtet der Sicherheitsbedenken weitermachen. Im Gegensatz zu anderen Betreibern lebt das Unternehmen, das mehreren Stromproduzenten gehört, ausschliesslich vom Betrieb von Atomkraftwerken.
Ausserdem sind die Aussichten für ein Wiederhochfahren in seinem anderen Atomkraftwerk Tsuruga in der Präfektur Fukui noch schlechter. Das AKW liegt laut NRA auf einer aktiven Verwerfung. Bereits 2013 begann Japan Atomic Power, wegen seiner angespannten finanziellen Lage, Teile seines Urans zur Herstellung von Brennelementen zu verkaufen (Asienspiegel berichtete).
Und so wird das Unternehmen bis zum Ende alles daran setzen, sein Atomkraftwerk, das nur unweit von Tokio liegt, wieder in Betrieb zu nehmen.
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