Unerlaubtes Fotografieren
Früher lachte man noch über die japanischen Touristen, die unablässig ihre Kameras zückten und alles fotografierten, was ihnen in den Weg kam. Mit der Entwicklung der Smartphones und Digitalkameras ist diesbezüglich die ganze Welt etwas Japanischer geworden.
Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs.
Doch ausgerechnet im Land, das die Fotografie zur Alltagskultur erhoben hat, sollte man aufpassen, worauf man mit seinem Objektiv zielt. Laut der Mainichi Shimbun wurde ein 40-jähriger Mann in der Stadt Kawasaki, Präfektur Kanagawa, verhaftet, weil er eine nebenan sitzende Studentin in einem Zug mit einer Kleinkamera filmte.
Vorsicht beim Fotografieren!
Dieser Umstand reichte aus, um ein Verfahren gegen den Stadtangestellten wegen heimlicher Aufnahmen einzuleiten. Möglich macht dies eine Anti-Belästigungs-Verordnung, die nicht nur in der Präfektur Kanagawa in Kraft ist. Sie besagt, dass das Fotografieren von Dritten in der Öffentlichkeit wie beispielsweise in einem Zug grundsätzlich untersagt ist, wenn sich die betroffene Person in ihrer Sicherheit bedroht oder in ihrem Wohlbefinden gestört fühlt.
Als weiterer Grundsatz gilt, dass der «Übeltäter» von der Polizei in flagranti ertappt werden muss. Eine betroffene Person muss also, wie im aktuellen Fall, unverzüglich handeln. Dem Täter droht bei einem solchen Vergehen eine Geldstrafe von bis zu 1 Million Yen (7200 Euro) oder eine Haftstrafe von maximal 12 Monaten.
Die Verordnung ist eine Reaktion auf das zunehmende Problem der voyeuristischen Fotografie mit Smartphones und Minikameras. Fälle, bei denen heimlich unter den Rock einer Frau fotografiert wird, haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Die Smartphone-Hersteller haben schon vor langer Zeit auf ihre Weise reagiert, indem sie ein nicht ausschaltbares Klickgeräusch in die Kamerafunktion eingebaut haben (Asienspiegel berichtete).
Geht die Verordnung zu weit?
Während die gewöhnlichen Tagesmedien nüchtern von einem weiteren Belästigung in der Öffentlichkeit schreiben, hinterfragt die Nikkan Gendai das Ausmass der Verordnung. So hält das Blatt fest, dass die Frau in Kawasaki ganz normal in ihren Kleidern gefilmt wurde, es sei weder unter den Rock fotografiert worden, noch habe der Mann den BH oder sonst etwas Obszönes filmisch festgehalten.
Das Blatt verweist auf ähnliche Beispiele in der Vergangenheit. 2008 wurde ein Soldat der japanischen Selbstverteidigungskräfte verurteilt, weil er eine Frau von hinten fotografierte. 2011 kam es in der Präfektur Chiba zu einer Verhaftung, weil ein Mann eine schlafende Frau im Zug abgelichtet hatte.
Reaktion auf Voyeure
Auch wenn diese Verordnung aus guten Gründen in Kraft gesetzt wurde, zeige der Fall Kanagawa auch, dass theoretisch jedem, der ohne weiter nachzudenken eine Drittperson in der Öffentlichkeit fotografiere, eine Verhaftung drohe. In einem Land, wo fast alles und fast jeder Moment fotografisch festgehalten wird, stellt sich nun die Frage, wo genau die Grenzen der Auslegung dieser Anti-Belästigungs-Verordnung liegen?
Ohne Abonnenten kein Asienspiegel
Februar 2024 – Wenn Sie diesen Artikel gratis lesen, bezahlen andere dafür. Mit einem Abo sichern Sie die Zukunft dieses Japan-Blogs, der über 5000 kostenlos zugängliche Artikel bietet.
VORTEILE JAHRES-ABO
Jahres-Abonnenten stehe ich für Fragen zur Verfügung. Klicken Sie hier, um mehr darüber zu erfahren.
- Zahlungsmittel: Master, Visa, PayPal, Apple Pay, Google Pay
- Für TWINT bitte via Asienspiegel Shop bezahlen
- Für Banküberweisung hier klicken