Start mit einer alten Bekanntschaft

Thomas Köhler mit seinem Fahrrad in Tohoku.
Tho­mas Köh­ler mit sei­nem Fahr­rad in Toho­ku. Foto: Tho­mas Köhler

Drei Jah­re nach sei­nem Fuss­marsch durch Japan hat sich Tho­mas Köh­ler an ein neu­es Pro­jekt gemacht. Seit dem 9. Novem­ber 2014 fährt er mit dem Fahr­rad durch den Nord­os­ten des Lan­des. Es ist eine Rei­se ent­lang der San­ri­ku-Küs­te, wo vor mehr als drei Jah­ren der Tsu­na­mi gros­ses Leid mit sich brach­te. Auf Asi­en­spie­gel fasst Tho­mas sei­ne ers­te Tage zusammen.

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Bereits um vier Uhr mor­gens war ich hell­wach. Ein Jet­lag kann wirk­lich hart­nä­ckig sein. Wäh­rend mein Bewusst­sein immer noch im Schlaf­mo­dus war, tauch­te ich mei­nen Blick in die vom Nebel domi­nier­te Mor­gen­däm­me­rung: «End­lich wie­der in Japan!», dach­te ich mir. Drei Tage hat­te ich Zeit, um mich zu akkli­ma­ti­sie­ren und die letz­ten Vor­be­rei­tun­gen für die Fahr­rad­tour vorzunehmen.

In die­ser kur­zen Zeit reich­te es gera­de für einen Tages­aus­flug nach Hirai­zu­mi, wo ich die wun­der­schö­nen Tem­pel­an­la­gen von Motsu-ji und den Chu­son-ji – seit 2011 UNESCO-Welt­kul­tur­er­be – besuch­te. Das wun­der­ba­re Wet­ter, die herbst­li­che Blatt­ver­fär­bun­gen und das Buch­wei­zen-Nudel­ge­richt Wan­ko Soba, eine loka­le Spe­zia­li­tät, mach­ten den Besuch noch spe­zi­el­ler als erwar­tet. Am letz­ten Tag vor dem Start ging es zum Lava­feld am Fus­se des 2000 Meter hohen Vul­kans Iwa­te. Es war ein Tag wie im Bilderbuch!

Am 8. Novem­ber brach­te mich der Shink­an­sen zu mei­nem Start­ort Hachi­no­he in der Prä­fek­tur Aom­ori an der Nord­spit­ze der Haupt­in­sel Hons­hu. Doch bevor mein Pro­jekt star­te­te, bekam ich noch Besuch von einer alten Bekannt­schaft. Taku­ya Ooha­shi, der mich wäh­rend mei­nes Fuss­mar­sches durch Japan einen Tag lang beglei­te­te und mir sogar noch mei­nen Ruck­sack trug, hiess mich will­kom­men! Über die­ses Wie­der­se­hen freu­te ich mich ganz beson­ders. Wir hat­ten uns viel zu erzählen.

Vorzügliche Buchweizennudeln!
Vor­züg­li­che Buch­wei­zen­nu­deln! Foto: Tho­mas Köhler
Ein Wiedersehen mit Takuya Oohashi (rechts).
Ein Wie­der­se­hen mit Taku­ya Ooha­shi (rechts). Foto: Tho­mas Köhler

Der Start

Am 9. Novem­ber ging es dann end­lich los. Wäh­rend ich gemüt­lich der Küs­te ent­lang in Rich­tung Kuji fuhr, kamen wun­der­ba­re Erin­ne­run­gen hoch. Fünf Mona­te zu Fuss durch die­ses Land haben tie­fe Spu­ren hin­ter­las­sen. Ich war wie­der im ver­trau­ten Japan: der Mee­res­ge­ruch, die freund­li­chen Men­schen und die ein­drück­li­chen Land­schafts­bil­der. Die Küs­ten­ge­gend von Hachi­no­he über Kabushi­ma zur Tane­sa­shi-Küs­te war atem­be­rau­bend. In Hash­i­ka­mi spra­chen Fischer mit mir über ihren Fang. Sie waren sehr zufrie­den und ver­rich­te­ten ihre Arbeit schnell und effi­zi­ent. Etwas spä­ter als geplant kam ich schliess­lich in Kuji an, wo ich mir Sushi zum Abend­essen gönnte.

Bei per­fek­tem Wet­ter ging es am nächs­ten Tag wei­ter, der Küs­te ent­lang in Rich­tung Noda. Und wie in den alten Tagen kam ich wie­der ins Gespräch mit den Men­schen aus der Gegend. An einer Tank­stel­le lern­te ich den Fischer Fujishi­ma-san ken­nen, der begeis­tert von mei­nem Vor­ha­ben mich gleich zu einer Fahrt zum Aus­sichts­punkt Kita­y­ama­za­ki, zur Tropf­stein­höh­le Ryu­sen­do und zur Uno­su-Klip­pe ein­lud. Es war ein ein­drück­li­cher Tag mit freund­li­chen Bekannt­schaf­ten, den ich bestimmt nicht mehr ver­ges­sen werde.

Die Fahrt ging nicht nur der Küs­te ent­lang. Am drit­ten Tag fuhr ich durch dicht­be­wal­de­te Täler über Hügel, wo grü­ne Fel­der das Land­schafts­bild präg­ten. Es war ein dau­ern­des Auf und Ab, stel­len­wei­se ging es auch nur noch zu Fuss wei­ter. Auf der Fahrt nach Miya­ko mach­te ich einen kur­zen Zwi­schen­halt in Taro. Die­ser Moment stimm­te mich sehr nach­denk­lich. Heu­te genau vor drei Jah­ren und 8 Mona­ten wur­de die­ser Ort vom Tsu­na­mi voll­stän­dig zer­stört. Ich hof­fe, dass die Men­schen bald wie­der dort woh­nen können.

Eine wunderbare Aussicht.
Eine wun­der­ba­re Aus­sicht. Foto: Tho­mas Köhler
Fischer bei der Arbeit.
Fischer bei der Arbeit. Foto: Tho­mas Köhler

Ein reg­ne­ri­scher Tag

Am 12. Novem­ber erleb­te ich schliess­lich den ers­ten nas­sen Tag. Nach­dem ich anstren­gen­de Höhen­me­ter hin­ter mir gelas­sen hat­te, liess auch der Regen nicht mehr lan­ge auf sich war­ten. Mit jeder Stun­de reg­ne­te es stär­ker, was die Tun­nel­fahr­ten auch nicht ein­fa­cher machte.

Eine spon­ta­ne Begeg­nung mit Frau Hagi­wa­ra ret­te­te die­sen reg­ne­ri­schen Tag. Mit Oni­gi­ri, Kaf­fee und Süs­sig­kei­ten beschenk­te sie mich und wünsch­te mir alles Gute für die Wei­ter­rei­se. Vie­len Dank! Sie habe die Schweiz-Japan-Fah­ne auf mei­nem Ruck­sack gese­hen und gedacht, dass ich bestimmt ein Schwei­zer auf der Durch­rei­se sei. Im strö­men­den Regen durch die Stadt Kamai­shi kam ich schliess­lich im Hotel Sun­rou­te an.

Radeln im Regen.
Radeln im Regen. Foto: Tho­mas Köhler
Frau Hagiwara beschenkt mich.
Frau Hagi­wa­ra beschenkt mich. Foto: Tho­mas Köhler

Love Let­ter for Tomorrow

Am Mor­gen zeig­te sich glück­li­cher­wei­se wie­der der blaue Him­mel. Nach einem anstren­gen­den Teil­stück kam ich in Ofu­n­a­to an, wo ich herz­lich von Yu Niin­u­ma, Nami Shi­ga und Moto­ko Naga­ha­ma emp­fan­gen wur­de. Wir fuh­ren zum Monu­ment «Love let­ter for tomor­row» (明日へのラフレター), das am Wohn­ort von Herr Shi­da gebaut wird.

Der Künst­ler Hara­da arbei­tet bereits über drei Jah­re als Frei­wil­li­ger an die­sem Pro­jekt! Es ist ein ganz spe­zi­el­les Monu­ment, das an einem Ort gebaut wird, wo der Tsu­na­mi eine beson­ders gros­se Zer­stö­rung ver­ur­sach­te. Das Gespräch mit Herrn Shi­da über die Zeit direkt nach der Kata­stro­phe wer­de ich nicht mehr vergessen.

Nach einer wun­der­ba­ren Nacht im Capi­tal Hotel in Riku­zent­aka­ta ging ich ges­tern zu der einen Kie­fer, die als ein­zi­ge der 70’000 Kie­fern des einst präch­ti­gen Taka­ta-Mat­sub­a­ra-Wal­des den Tsu­na­mi über­stan­den hat­te. Die Wun­der­kie­fer wur­de vor ein­ein­halb Jah­ren kon­ser­viert, um als Sym­bol des Wie­der­auf­baus den Men­schen Kraft zu geben.

Noch eine Woche fah­re ich wei­ter durch die Prä­fek­tur Miya­gi bis in die Prä­fek­tur Fuku­shi­ma. Über fol­gen­den Link kön­nen Sie mei­ne täg­li­chen Erleb­nis­se mit­ver­fol­gen.

Wol­len Sie mehr über Tho­mas Köh­lers Fuss­marsch vor drei Jah­ren erfah­ren? Das Buch «Nega­tiv: nichts» erzählt von die­ser Rei­se.

Künstler Harada baut an einem Denkmal, das an die Tsunami-Katastrophe erinnern soll.
Künst­ler Hara­da baut an einem Denk­mal, das an die Tsu­na­mi-Kata­stro­phe erin­nern soll. Foto: Tho­mas Köhler
Die Wunderkiefer von Rikuzentakata.
Die Wun­der­kie­fer von Riku­zent­aka­ta. Foto: Tho­mas Köhler
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