Ein Land schläft im Zug
Japans Pendlerzüge sind für viele, erschöpfte Büroarbeiter der perfekte Ort, wo man für kurze Zeit ein Nickerchen einlegen kann. In wohl keinem anderen Land wird so sorglos vor sich hingedöst. «Inemuri» nennt sich das Phänomen, was wortwörtlich übersetzt «anwesend sein und schlafen» bedeutet.
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Besonders am Abend, wenn die erschöpften Pendler ihren manchmal stundenlangen Heimweg antreten, verwandeln sich die Züge zu Schlafabteilen. Bilder von schlafenden Büroarbeitern, die mit geöffnetem Mund ihre Hinterköpfe gegen das Fenster lehnen oder die Schulter des fremden Nachbarn als Stütze benutzen, sind dann keine Seltenheit. Ja, manche schlafen sogar im Stehen oder auf dem Boden ein.
Die Immobilien-Website HOME’s hat dieses spezielle Phänomen geschickt für ihre Sache genutzt. Während zwei Minuten werden im Werbevideo «Dreamer» schlafende Pendler in allen Stellungen gezeigt. Untermalt wird der Beitrag sinngemäss mit dem «Nippon Inemuri Song» von Yusuke Emoto. So heisst es passend:
Morgen kommt so schnell.
Mein Weg nach Hause ist so lang.
Ich möchte schnell meine Socken ausziehen.
Ich habe so viele Fernsehsendungen zuhause aufgenommen.Es geht so lange bis ich zuhause ankomme.
Ich möchte schnell ein Bad nehmen,
sofort in meinen Futon tauchen
und Schönes träumen.
Die Botschaft am Ende lautet: «Die Pendelzeiten werden Ihnen nicht vergütet. Versuchen Sie es mit unserer Pendelzeit-Suche.»
Überstunden und ferne Wohnorte in den Vorstädten, die täglich stundenlange Bahnfahrten benötigen, sind für Japans arbeitende Gesellschaft eines der grössten Probleme. Die Japaner kämpfen mit den weltweit längsten Pendelzeiten. Wohnungen in der Nähe des Arbeitsortes inmitten der Grossstadt sind für viele gar nicht erschwinglich. So ist es naheliegend, dass eine japanische Immobilien-Website auch eine spezielle Suchfunktion einführt, die die Reisezeit zwischen möglichem Wohnort und der Arbeitsstelle möglichst optimiert.
Siesta am Arbeitsplatz
Übrigens schläft Japan nicht nur im Zug. Auch im Bus, in der Schule und im Büro wird gerne ein Kurzschlaf eingelegt. Der akute Schlafmangel ist statistisch belegt. Keine andere Industrienation schläft so wenig wie die Japaner (Asienspiegel berichtete).
Schlafmangel führt bekanntlich zu Ineffizienz und einer erhöhten Fehlerquote am Arbeitsplatz. Die Bearbeitung einer Aufgabe am Arbeitsplatz zieht sich durch die Unkonzentriertheit in die Länge. Das kostet Zeit und Geld. Aus diesem Grund haben gewisse Arbeitgeber angefangen, ihren Angestellten eine Siesta zu verordnen (Asienspiegel berichtete).

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