Japan nach dem Geiseldrama
Das Geiseldrama in Syrien hat ein tragisches Ende genommen. Gestern wurde auch der zweite, entführte Japaner, der Journalist Kenji Goto, von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ermordet. Eine Woche zuvor musste der Japaner Haruna Yukawa sterben.
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In Japan hat das Geiseldrama bewegt. Die Medien berichteten in den letzten Wochen täglich darüber. Am Sonntagnachmittag kam es vor dem Sitz des Premierminister zu einem stillen Gedenken, das auch einige als Protest gegen Shinzo Abe nutzten. Rund 200 Menschen nahmen daran teil.
«Ein Leben, das man hätte retten können, wurde nicht gerettet. Schäme dich, Abe!» stand auf einem Plakat (siehe erster Tweet).
Das Geiseldrama beruhe auf der Missregierung von Abe. Der Premier müsse daher zurücktreten, war die Botschaft einer weiteren Person.
«Mit Waffen kann man keinen Frieden schaffen» oder «Hör auf mit dem aktiven Militarismus», hiess es bei einem protestierenden Mönch (siehe zweiter Tweet).
Abes Rolle
Die Rolle des Premierministers in dieser Affäre wird in Japan unterschiedlich betrachtet. Einerseits lobte man Abe für seine harte Haltung und sein gleichzeitiges Bemühen hinter den Kulissen um eine mögliche Freilassung der Geiseln.
Andere sind jedoch der Meinung, dass Abe mit seinem Verhalten zu dieser Krise beigetragen habe. So versprach er bei einer Rede in Kairo die Länder, die den IS bekämpfen, auf humanitärer und infrastruktureller Ebene finanziell zu unterstützen. Dabei wusste Abe zu diesem Zeitpunkt, dass zwei Japaner in den Händen der IS waren. Drei Tage später nahm die Krise ihren Lauf.
Auswirkung auf die Neuauslegung der Verfassung
Die Kritiker werfen dem Premier vor, dass er das Geiseldrama nun nutzen wolle, um dem japanischen Selbstverteidigungskräften künftig einen grösseren, internationalen Handlungsspielraum zu geben.
Den Grundstein dazu legte er im letzten Jahr mit der Neuauslegung der Verfassung, die Japan nun erlaubt, den alliierten Staaten militärisch zur Hilfe zu kommen, obowohl der Kriegsverzichtsartikel 9 anderes suggeriert (Asienspiegel berichtete).
Noch ist die genaue, gesetzliche Auslegung dieser kollektiven Selbstverteidigung nicht definiert. Es darf aber angenommen werden, dass Abe dank der klaren Mehrheit seiner Partei im Parlament seine politischen Ziele durchbringen wird.
Die stille Demonstration vor dem Amtssitz hat gleichzeitig gezeigt, dass es auch viele Menschen in der Bevölkerung gibt, die das Geiseldrama als weiteres Kapitel einer gefährlichen Entwicklung sehen, die in ihren Augen Premier Abe angestossen hat. Sie fordern, dass Japan möglichst schnell wieder auf die pazifistische, politisch isolationistische Schiene der Nachkriegsjahrzehnte zurückkehrt.
Erste Massnahmen
Wie sich das Geiseldrama auf die Politik und Stimmung im Land auswirkt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Die Regierung setzt derweil erste Zeichen. So hat sie laut der Tokyo Shimbun also Sofortmassnahme angekündigt, den Schutz der Japaner im Ausland sicher zu stellen. Ausserdem wolle man die Kontrollen an den Flughäfen in Japan verschärfen, um die Einreise von Terroristen zu verhindern.
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