30’000 für die Friedensverfassung

30'000 setzen sich am 3. Mai 2015 in Yokohama für den Erhalt der jetzigen Verfassung ein.
30’000 set­zen sich am 3. Mai 2015 in Yoko­ha­ma für den Erhalt der jet­zi­gen Ver­fas­sung ein. Foto: twitter/@youthagainstfacism

Am 3. Mai 1947 trat die japa­ni­sche Nach­kriegs­ver­fas­sung in Kraft. Es war das wohl moderns­te und libe­rals­te Geset­zes­werk sei­ner Zeit. Japan ver­ab­schie­de­te sich damit end­gül­tig von der Ära des Militarismus.

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Der einst gött­li­che, unan­tast­ba­re Kai­ser wur­de zum Sym­bol ohne wei­te­re Macht degra­diert. Japan wur­de zu einer Demo­kra­tie, in der Reli­gi­on und Staat klar getrennt wur­de. Die Gleich­be­rech­ti­gung und die Ver­samm­lungs- und Rede­frei­heit wur­den ein­ge­führt. Mit dem Arti­kel 9 ver­zich­te­te Japan gar auf die Kriegs­füh­rung zu Lösung inter­na­tio­na­ler Kon­flik­te und den Unter­halt einer Armee (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Seit 68 Jah­ren ist die­se von den dama­li­gen ame­ri­ka­ni­schen Besat­zern for­mu­lier­te Ver­fas­sung nun unver­än­dert. Für vie­le ist das Geset­zes­werk zu einem Garan­ten für Japans fried­li­chen, wirt­schaft­li­chen Auf­stieg gewor­den (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Kei­ne noch so gros­se, kon­v­ser­va­ti­ve Regie­rungs­mehr­heit konn­te dar­an etwas ändern.

Kaiser Hirohito unterzeichnet 1947 die neue Verfassung, die bis heute unverändert geblieben ist.
Kai­ser Hiro­hi­to unter­zeich­net 1947 die neue Ver­fas­sung, die bis heu­te unver­än­dert geblie­ben ist. Foto: wiki­me­dia crea­ti­ve commons

Die Hür­den

Denn für eine Ände­rung eines Ver­fas­sungs­ar­ti­kel benö­tigt es eine Zwei­drit­tel­mehr­heit in bei­den Häu­sern. Anschlies­send bedarf es in einem Refe­ren­dum einer Zustim­mung der Bevöl­ke­rung mit einer ein­fa­chen Mehr­heit. Und weil die Hür­den so hoch sind, beschränk­te man sich in den letz­ten 68 Jah­ren aufs gross­zü­gi­ge Inter­pre­tie­ren der Verfassung.

In den 1950er-Jah­ren, als man sich begann, für den Kal­ten Krieg zu rüs­ten, erschuf man anstatt eine Armee die soge­nann­ten Selbst­ver­tei­di­gungs­streit­kräf­te. Jedes Land habe ein Recht auf Selbst­ver­tei­di­gung, hiess es damals. Somit wer­de auch nicht gegen den Arti­kel 9 ver­stos­sen. Im Juli 2014 ging Pre­mier Shin­zo Abe ähn­lich vor. Er leg­te die Ver­fas­sung so aus, dass Japan heu­te das Recht auf kol­lek­ti­ve Selbst­ver­tei­di­gung anwen­den darf, obwohl für vie­le die Ver­fas­sung ande­res sug­ge­riert (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Die mög­li­chen Änderungen

Für Abe war dies jedoch erst der Anfang. Denn der Pre­mier hat die Ver­fas­sung­re­vi­si­on zu einem sei­ner wich­tigs­ten Zie­le erklärt. Er und sei­ne Regie­rungs­par­tei LDP hal­ten das Geset­zes­werk für nicht mehr zeit­ge­mäss. Aus­ser­dem ist in den Augen vie­ler Kon­ser­va­ti­ver die Ver­fas­sung eine von den USA erzwun­ge­nes Geset­zes­werk, das nicht dem Wil­len der japa­ni­schen Bevöl­ke­rung entspricht.

Spe­zi­ell der Ver­zicht auf Kriegs­füh­rung zur Lösung inter­na­tio­na­ler Kon­flik­te im Arti­kel 9 sowie die Bezeich­nung des Kai­sers (jap. Ten­no) als Sym­bol des Staa­tes im Arti­kel 1 sind ihnen ein Dorn im Auge. Anstatt «Selbst­ver­tei­di­gungs­streit­kräf­te» soll es off­zi­ell «Armee» heis­sen. Ein Ver­fas­sungs­ent­wurf der LDP von 2012 schlägt aus­ser­dem vor, die Rede- und Mei­nungs­frei­heit ein­zu­schrän­ken, falls die­se «schäd­lich für das öffent­li­che Inter­es­se» seien.

Die aller­meis­ten Oppo­si­ti­ons­par­tei­en sehen die demo­kra­ti­schen Wer­te Japans in Gefahr. Sie set­zen sich für den Erhalt der pazi­fi­ti­schen Ver­fas­sung ein. Doch inzwi­schen sieht Abe die his­to­ri­sche Chan­ce für eine Ver­fas­sungs­än­de­rung gekommen. 

Abes Plan

Und so sieht der Fahr­plan des Pre­mier­mi­nis­ters aus. Im Unter­haus besitzt sei­ne Par­tei zusam­men mit der Koali­ti­ons­part­ne­rin Kom­ei­to bereits eine knap­pe Zwei­drit­tel­mehr­heit. Im Som­mer wird die Hälf­te des Ober­hau­ses neu gewählt. Dann hofft der Pre­mier auch dort eine Zwei­drit­tel­mehr­heit zu holen. Geht die­se Rech­nung auf, wird sich die Regie­rung an eine Ver­fas­sungs­än­de­rung machen. Die Chan­cen dafür ste­hen gut. 

In den nächs­ten zwei Jah­ren wird Japan somit wohl die Wei­chen für die Zukunft stel­len und sich womög­lich vom Nach­kriegs­sys­tem in vie­ler­lei Hin­sicht verabschieden.

Das Volk bestimmt

Doch am Ende wird die Mei­nung der japa­ni­schen Bevöl­ke­rung zäh­len. Sie hät­te in einem Refe­ren­dum das letz­te Wort. Genau hier könn­te Abes Stol­per­stein lie­gen. Denn vie­le Japa­ner hal­ten nach wie vor viel von der pazi­fis­ti­schen Ver­fas­sung (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Am gest­ri­gen Ver­fas­sungs­tag ver­sam­mel­ten sich allei­ne in Yoko­ha­ma 30’000 Men­schen zu einer Kund­ge­bung zum Schutz der jet­zi­gen Ver­fas­sung, wie die Asahi Shim­bun berichtete. 

Umfra­gen zei­gen der­weil, dass die Mei­nun­gen geteilt sind. Die Huf­fing­ton Post Japan hat eine ent­spre­chen­de Über­sicht zusammengestellt.

So sind laut der Asahi Shim­bun 48 Pro­zent gegen eine Ver­fas­sungs­än­de­rung. 43 Pro­zent befür­wor­ten hin­ge­gen Abes Vor­ge­hen. Laut der Tokyo Shim­bun sind wie­der­um 46,7 Pro­zent für eine Ände­rung und 42,3 Pro­zent dage­gen. NHK hat der­weil etwas vor­sich­ti­ge­re Zah­len publi­ziert. So sehen ledig­lich 28 Pro­zent einen Bedarf für Ver­än­de­rung, wäh­rend 25 Pro­zent dage­gen sind. Gan­ze 43 Pro­zent haben noch kei­ne Meinung. 

Eine Umfra­ge der Mai­ni­chi Shim­bun zeigt, dass gera­de bezü­gich des Arti­kel 9 eine kla­re Hal­tung besteht. 55 Pro­zent leh­nen jeg­li­che Ände­rung des Kriegs­ver­zichts­ar­ti­kels ab. Nur 27 Pro­zents sind dafür. 

Die Umfra­gen zei­gen: Ein all­fäl­li­ges Ver­fas­sungs­re­fe­ren­dum, bei der eine ein­fa­che Mehr­heit genügt, wür­de zu einer äus­serst knap­pen Ange­le­gen­heit für Abe wer­den. Japan steht vor ent­schei­den­den Jahren.

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