Abe erklärt die Welt
Premierminister Shinzo Abe steht unter Druck. Das Durchboxen der Sicherheitsgesetze im Unterhaus hat seine sonst so konstant hohen Zustimmungsraten in den Keller schlittern lassen (Asienspiegel berichtete). Gerade noch 39 Prozent unterstützen seine Politik, laut einer Umfrage von FNN News. 52,6 Prozent sind gegen seine politischen Massnahmen. In einer Umfrage der Mainichi Shimbun ist die Zustimmungsrate für die Regierung gar auf 35 Prozent gesunken.
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Selbst Abe gibt diese Entwicklung zu denken. Mit zwei Fernsehauftritten versucht er nun, die Bevölkerung von seinem Unterfangen zu überzeugen. Ja, es seien harte Zahlen, sagte Abe in einem Auftritt auf Fuji TV am 20. Juli. «Leider ist die Unterstützung für der Sicherheitsgesetze nicht gross. Ich glaube, dass das Verständnis der Bevölkerung einfach noch nicht genug vorangeschritten ist», erklärt sich der Premier die Lage.
Brennende Häuser und verschlossene Türen
Der Regierungschef betrachtet die Kontroverse um seine Gesetze als ein Verständnisproblem. Entsprechend griff er zu Metaphern und Häusermodellen, um dem Fernsehpublikum die Sachlage möglichst einfach näher zu bringen. Im japanischen Fernsehen ist dies nichts Ungewöhnliches.
In einem ersten Versuch zeigte er ein «amerikanisches Haus» und ein «amerikanisches Gästehaus» auf der einen sowie ein «japanische Haus» auf der anderen Seite der Strasse. «Bislang durften wir das Feuer im Gästehaus erst löschen beginnen, wenn das japanische Haus Feuer gefangen hatte. Künftig können wir jedoch schon von der Strasse aus das Gästehaus löschen.» Die Entsendung von eigenen Truppen ins Ausland zur Unterstützung von Alliierten im Sinne der kollektiven Selbstverteidigung war somit aus der Sicht Abes erklärt.
In einem weiteren Teil ging er auf die Sorge ein, dass Japan künftig in Kriege verwickelt werden könnte. In diesem Zusammenhang nutzte er eine Metapher, die für einige Verwirrung sorgen sollte. Früher habe es ausgereicht, die Fensterläden zu schliessen, um sich vor Dieben zu schützen, sagte er. Heute gebe es andere Formen von Betrug. Auf diese neuen Gefahren müsse man vorbereitet sein, indem man mit Hilfe aller in der Nachbarschaft die Türen gut verschliessen würde. Es gehe auf keinen Fall darum, einen bestimmten Dieb anzugreifen, womit er die defensive Natur seines Vorhabens unterstrich.
Das Unterhaus habe sich zu stark auf Verfassungsdebatten eingelassen, kritisiert er leise. Seine Aufgabe sei es jedoch, die Sicherheitsgesetze möglichst verständlich zu erklären. Es gebe diesbezüglich noch viel zu viele Missverständnisse. Es gelte nun, diese in der Debatte im Oberhaus zu beheben.
Die Reaktionen
Doch irgendwie kamen Abes bildhafte Umschreibungen nicht wirklich bei allen an. Goshi Hosono von der oppositionellen demokratischen Partei meinte nur: Feuer und Selbstverteidigung könne man nicht vergleichen. Eine solche Erklärung sei reichlich naiv. In den sozialen Medien stiess besonders der Begriff «Tojimari» (die Türe verschliessen) auf viel Unmut.
«Es ist ungeheuerlich, dass der Regierungschef die Entsendung der Truppen für militärische Aktivitäten mit dem Verschliessen der Türe vergleicht», twitterte etwa Militärexperte Motoaki Kamiura.
Auch der Abgeordnete Tadashi Shimizu von den Kommunisten sieht es gleich wie Kamiura.
«Die Anwendung der kollektiven Selbstverteidigung bedeutet nichts anderes als Krieg. Was hat das mit dem Verschliessen von Türen zu tun?» empört sich derweil Twitter-User Ambo Takashi.
Die Verfassung ignoriert
Eine Hauptkritik in den Kommentaren ist jedoch, dass Abe mit seinen Fernseherklärungen ein weiteres Mal von der wahren Debatte abgelenkt habe. Denn viel mehr um als das Sicherheitsgesetz geht es hierbei um seinen Umgang mit der Verfassung.
So ist die Einführung der Sicherheitsgesetze aus der Sicht der meisten Rechtsexperten, die auch in der Kommission des Unterhauses vorsprachen, ein verfassungswidriger Akt. Daran ändere auch Abes Neuinterpretation bezüglich der kollektiven Selbstverteidigung nichts (Asienspiegel berichtete).
«Weshalb die Eile in der jetzigen Sondersession? Weshalb wird der Verweis auf eine Verfassungsverletzung ignoriert? Dazu gibt es keine Erklärungen», kritisiert etwas @NOSUKE0607.
Andere wie User @kanaitoru33 verweisen mit deutlicher Wortwahl darauf hin, dass «das Verschliessen der Türe» durch die jetzige Verfassung bereits garantiert sei. Es sei derjenige ein Verbrecher, der diese Verfassung mit einer beliebigen Interpretation zerstöre. «Deshalb ist die Bevölkerung wütend!», schreibt sich @kanaitoru33 seinen Frust von der Seele.
Studio-Ghibli-Gründer und Anime-Legende Hayao Miyazaki formulierte es bei einer Pressekonferenz mit den ausländischen Journalisten so: «Abe glaubt, dass er als grossartiger Mann, der Japans pazifistische Verfassung geändert hat, in die Geschichte eingehen wird. Wie töricht.»
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