Japan testet die Freizeit
Seit dem 1. Juli testen die japanischen Staatsbeamten die Freizeit, wie die Sankei Shimbun berichtet. Yūkatsu, Abendaktivität, nennt sich dieses Vorhaben, das laut Premierminister Shinzo Abe zu «einer Revolution des sommerlichen Lebensstils» führen soll (Asienspiegel berichtete). Konkret bedeutet dies, dass die Angestellten neu zwischen 7:30 und 8:30 Uhr mit der Arbeit beginnen. Das sind ein bis zwei Stunden früher als üblich.
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Im Gegenzug verlassen sie spätestens um 17:30 Uhr das Büro, damit ihnen der Abend für Aktivitäten mit der Familie oder Freunden bleibt. Um dies umsetzen zu können, dürfen Meetings nicht mehr nach 16:15 Uhr angesetzt. Mit diesen Massnahmen hofft man, die Überstunden auf ein Minimum reduzieren zu können. Der Angestellte soll entgegen der bisherigen Gewohnheit am Morgen seine wichtigsten Arbeiten erledigen.
Das Yūkatsu-Programm findet zurzeit bei 220’000 Beamten Anwendung. Bis Ende August läuft diese Testphase. Verbunden ist die Hoffnung, dass die regionalen Verwaltungen sowie auch die Privatwirtschaft irgendwann nachziehen werden. Premier Abe will damit die japanische Wirtschaft vom Selbstverständnis der langen, ineffizienten Arbeitstage wegbringen.
Der lange, ineffiziente Arbeitstag
Denn lange Pendelzeiten, regelmässige Überstunden und schliesslich noch das Bier und Essen mit den Arbeitskollegen am Ende des Tages sind bis heute alltägliche Fixpunkte im Leben eines Salarymans. Zeit für die Familie und Hobbys gibt es fast keine. Bezahlten Urlaub beziehen nur die wenigsten.
Diese Jahrzehnte alte Arbeitsgewohnheit gerät jedoch zunehmend in die Kritik. Premierminister Shinzo Abe bezeichnet dieses System als eine Bedrohung für sein Wirtschaftsprogramm. Denn wer immer im Büro ist, dem bleibt keine Zeit, um das hart verdiente Geld auszugeben und Stress abzubauen. Die Gesundheitskosten steigen und gleichzeitig fehlt es an Effizienz im Arbeitsalltag.
Ausserdem verhindert ein System der ständigen Präsenz am Arbeitsplatz die von Abe viel propagierte, verbesserte Integration der Frau in die Arbeitswelt und die gleichzeitige Förderung der Familien in einem Land, das unter einer chronisch tiefen Geburtenrate leidet (Asienspiegel berichtete).
Die Frage nach der Umsetzung
Theoretisch macht Yūkatsu Sinn. Doch es bleibt die Frage, wie stark die Ministerien und Behörden sich an diesen neuen Arbeitsstil halten werden. Eine derzeit verlängerte Parlamentssession sowie die traditionelle Ausarbeitung des Budgetentwurfs im Sommer werden viele Beamte trotz neuer Vorgaben bis in die Nachtstunden beschäftigen. Am Ende besteht sogar das Risiko, dass es durch den frühen Arbeitsbeginn noch zu viel längeren Arbeitszeiten kommt.
Ein Bericht von TBS News zeigt, dass besonders die Umstellung am Morgen schwer fällt. «Heute bin ich um 5:30 Uhr aufgestanden. Es ist ziemlich hart. Ich bin müde», zitiert der Sender eine Beamte. Andere wiederum zeigen sich darüber erfreut, sich am Abend um die Kinder kümmern oder schon früh ein Feierabendbier trinken zu können.
Ein Umdenken wird wohl davon abhängen, wie gut die Politiker und die Regierung die neue Regel selbst einhält und vorlebt. Premier Abe hat schon mal betont, dass er fortan sein Büro um 17:30 Uhr verlassen werde. Mit der «CoolBiz»-Kampagne, die den Büroarbeitern im Sommer eine lockerere Kleiderordnung erlaubt, gelang schon einmal ein solches von oben verordnetes Experiment (Asienspiegel berichtete).
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