Japans folgenreicher Kurswechsel

Nein, das Verständnis der Bevölkerung für die neuen Sicherheitsgesetze sei nicht vorangeschritten, gestand Premierminister Shinzo Abe ein. Doch dies schien für die Regierung kein Hindernis zu sein. Mit der Mehrheit der Regierungskoalition hat Japans Unterhaus einer ganzen Reihe an kontroversen Sicherheitsgesetzen zugestimmt, wie NHK News berichtet. Die Abgeordneten der Opposition, die sich in den Wochen zuvor heftig gegen die Gesetze stemmten, verliessen vor der Abstimmung aus Protest den Saal.
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Die Vorlage wird nun ans Oberhaus weitergereicht. Da jedoch in Japan das Unterhaus immer das letzte Wort hat, kann man davon ausgehen, dass die neuen Gesetze bis September in Kraft treten werden. Angefangen hat dieser Weg im vergangenen Juli, als die Regierung Abe entschied, die Verfassung so auszulegen, dass Japan künftig das Recht auf kollektive Selbstverteidigung anwenden darf, obwohl der Kriegsverzichtsartikel 9 anderes suggeriert (Asienspiegel berichtete).
Die neue Ausrichtung
Mit den Sicherheitsgesetzen hat Abe nun diese Neuinterpretation zementiert. Grundsätzlich geht es darum, dass Japans Selbstverteidigungstruppen einfacher den Alliierten zur Hilfe eilen und ihnen auch logistische Unterstützung leisten können (Asienspiegel berichtete). Denn bislang war jegliche militärische Entsendung nach Übersee aufgrund der strikten defensiven Friedensverfassung mit viel Hürden verbunden. Diese wurden nun somit beseitigt.
Mit diesen Massnahmen möchte Premier Abe gemäss eigenen Worten die Allianz mit den USA sowie die militärische Abschreckung Japans gegenüber China stärken. Man passe sich damit nur den neuen Realitäten an. Man sei in einem Zeitalter, in dem sich ein Land nicht mehr allein verteidigen könne, so Abe. Japan soll sich damit von einem passiven zu einem proaktiven Akteur in der internationalen Gemeinschaft wandeln.
Eine unpopuläre Zäsur
Abes Vorgehen bedeutet eine Zäsur in Japans Nachkriegsgeschichte. So galt die unveränderte Friedensverfassung lange als Garant für den Wohlstand und die Sicherheit des Landes. Entsprechend verunsichert die Neuinterpretation. Man fragt sich, wieso dies überhaupt notwendig sei.
Es ist dabei nicht einmal Abes Ansicht von der Weltlage, die viele stört. So sind Japans Selbstverteidigungstruppen faktisch schon seit Jahren bei Friedensmission im Ausland tätig. Politisch hat man das trotz aller gesetzlicher Hürden immer irgendwie durchgebracht. Vielmehr ist es der Umgang mit der Verfassung, mit dem Abe vielen vor den Kopf stösst.
Der grösste Teil der angefragten Rechtsgelehrten in Japan sprach in den letzten Wochen denn auch von einem verfassungswidrigen Akt von Premier Abe. Denn die Verfassung verbiete die kollektive Selbstverteidigung ausdrücklich. Eine Neuinterpretation ändere daran nichts. Das Durchpeitschen der Gesetze ohne Rücksicht auf das Grundgesetz ist daher für viele ein Schlag gegen Japans Rechtsstaat und Demokratie, mit unabsehbaren Folgen.
Sinkende Zustimmungswerte
So sieht es offenbar auch ein Grossteil der Bevölkerung. In einer von der Asahi Shimbun durchgeführten Umfrage sprechen sich über 55 Prozent gegen die neuen Sicherheitsgesetze aus. Nur gerade 26 Prozent befürworten sie. Rund 50 Prozent sehen in Abes Vorgehen eine Verfassungsverletzung. Auch eine Umfrage von Kyodo ergibt ein ähnliches Resultat. In den letzten Tagen kam es im ganzen Land und besonders vor dem Parlament zu Protestmärschen gegen Abes Politik.
Die letzten Monate haben Spuren hinterlassen. Die sonst so hohen Zustimmungswerte für den Premier sind wegen der Debatte um die Sicherheitsgesetze eingebrochen. Nur noch 39 Prozent unterstützen seine Politik, 42 Prozent lehnen sie derweil ab. Damit ist das Lager der Kritiker zum ersten Mal seit Abes Amtsantritt im Dezember 2012 in der Mehrzahl.
Noch sitzt Abe fest im Sattel. Doch lang anhaltend tiefe Zustimmungswerte wird auch er politisch nicht überleben.
Im Parlamentsgebäude opponierte die Opposition lautstark gegen Abes Vorgehen:
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