Japan und das Nanking-Massaker
Die UNESCO führt eine Liste von historischen Dokumenten mit besonderem Wert für das Gedächtnis der Weltgemeinschaft. «International Memory of the World Register» heisst das Programm oder auf Deutsch Weltdokumentenerbe. Jedes Jahr werden neue, wichtige Beiträge hinzugefügt. Neu gehören auch die Dokumente zum Nanking-Massaker von 1937 zum Weltdokumentenerbe.
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Es handelt sich um Quellen, die von den Kriegsverbrechen der japanischen Armee zeugen und schliesslich auch um wichtige Unterlagen, die für das chinesische Militärtribunal (1945 bis 1947), die Tokioter Prozesse 1948 und die Justiz der Volksrepublik China in den 50er-Jahren gesammelt wurden. Eingereicht hat die Dokumente die chinesische Regierung. Genau diese Tatsache passt Tokio gar nicht.
Der japanische Chefkabinettssekretär Yoshihide Suga kritisierte den Entscheid der UNESCO scharf, wie die Mainichi Shimbun berichtet. Die Dokumente seien einseitig eingereicht und nicht von Experten verifiziert worden, sagte er, betonte aber auch, dass man die Details noch nicht genau einsehen konnte. Zugleich sagte er, dass Japan nun prüfe, die finanziellen Beiträge für die UNESCO teilweise oder gar komplett zu streichen. Man sei besorgt darüber, wie die UNESCO das Weltdokumentenerbe führe. Suga forderte mehr Transparenz, damit die Organisation nicht zu politischen Zwecken missbraucht werde.
Streit um die Fakten
Die beiden Länder streiten sich seit Jahren um die historische Fakten im Zweiten Weltkrieg. Besonders das Nanking-Massaker belastet die Beziehungen schwer. Nach der Besatzung der Stadt Nanjing (Nanking ist die ältere deutsche Schreibweise, Anm. d. Red) im Dezember 1937 verübte die japanische Armee Massenhinrichtungen und Plünderungen. Die chinesische Seite spricht heute von 300’000 Menschen, die damals umkamen.
Die japanische Seite wiederum streitet das Kriegsverbrechen grundsätzlich nicht ab, spricht aber von weniger Toten. Auch Yoshihide Suga sagte, dass man die Plünderungen und Tötungen nicht abstreite, es aber unterschiedliche Meinungen bezüglich der Zahl der Toten gebe. Das offizielle Japan sagt, dass es nicht mehr als 200’000 gewesen seien.
Die Rede vom Zwischenfall
Auch eine vor fünf Jahren einberufene, gemeinsame Expertenkommission beider Länder konnte diese Differenz nicht bereinigen. Der Grund für die Uneinigkeit bezüglich der konkreten Zahl der Opfer sind unterschiedliche Auffassungen über die Verifizierung der Daten wie beispielsweise die Definition von Massaker, der Ort und die Dauer des Ereignisses sowie die Bestattungsdokumente (Asienspiegel berichtete). Einig war man sich jedoch, dass Massenhinrichtungen von Kriegsgefangenen und Zivilisten sowie Vergewaltigungen, Plünderungen und Brandstiftungen stattfanden.
Konservative und nationalistische Historiker und Politiker in Japan gehen von noch viel tieferen Opferzahlen aus. Manche zweifeln das Nanking-Massaker gar komplett an oder bezeichnen es verharmlosend als Zwischenfall. China meinte auf die Reaktion aus Tokio lediglich, dass Japan trotz aller Drohungen diesen Fleck in der Geschickte nicht einfach beseitigen könne.
Trotz der Empörung wird Japan es wohl bei einer leeren Drohung belassen. Denn die UNESCO ist für Japan viel zu wichtig, auch in finanzieller Hinsicht. Wie fast kein anderes Land investiert Japan viel in den Bewerbungsprozess für seine historischen und natürlichen Stätten ins Weltkulturerbe. 19 haben es bislang geschafft, zuletzt die industriellen Stätten der Meiji-Zeit (Asienspiegel berichtete). Die zusätzlichen Touristeneinnahmen und der Image-Gewinn sind immens.
Ehre auch für Japan
Im Übrigen ging Japan auch beim Weltdokumentenerbe nicht leer aus. Gleich zwei Dokumente haben es geschafft: dazu gehört das Archiv des Tōji-Tempels, das 24’147 historische Dokumente umfasst, welche die Aktivitäten zwischen 763 und 1711 festgehalten haben.
Und auch die Dokumente des Maizuru Repatriation Memorial Museum haben diesselbe Ehre erhalten. Sie erzählen vom Leben und Leiden der japanischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion zwischen 1945 und 1956. Über diese Anerkennungen hat sich Japan selbstverständlich gefreut.
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