Japans hei­li­ger Reis

Ein heiliges Lebensmittel: Reisernte vor 100 Jahren in Japan.
Ein hei­li­ges Lebens­mit­tel: Reis­ern­te vor 100 Jah­ren in Japan. Foto: flickr/​A. Davey, aus: Elst­ner Hilton’s pho­to­graphs of Japan, 1914 – 1918.

Für Japan ist der Reis das Grund­nah­rungs­mit­tel, das es zu pfle­gen und zu schüt­zen gilt. Es ist gar das ein­zi­ge Lebens­mit­tel, bei dem Japan Selbst­ver­sor­ger ist. Mit einem hor­ren­den Import­zoll von 778 Pro­zent wird der hei­mi­sche Markt seit Jahr­zehn­ten geschützt (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

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Für die meis­ten Japa­ner kommt denn auch nicht in Fra­ge, aus­län­di­schen Reis für die japa­ni­sche Küche zu ver­wen­den. Nur der japa­ni­sche Rund­korn­reis ent­spre­che den hohen Ansprü­chen, ist der all­ge­mei­ne Tenor. Von den jähr­lich 770’000 Ton­nen, die Japan seit der GATT-Uru­gu­ay-Run­de 1993 von ande­ren reis­pro­du­zie­ren­den Län­dern abkau­fen und impor­tie­ren muss, bleibt ein Gross­teil unge­nutzt oder endet als Viehfutter.

Ein hoch regu­lier­ter Markt

Ange­baut wird der Reis in Japan von Bau­ern zumeist auf klei­nen Fel­dern. Für die Abnah­me und den Ver­kauf des Rei­ses sorgt die Dach­or­ga­ni­sa­ti­on Japan Agri­cul­tu­ral Coope­ra­ti­ves Group, kurz JA-Zen­chu. Die­se sorgt dafür, dass der Land­wirt­schafts­markt abge­schot­tet und die Prei­se auf mög­lichst hohem Niveau bleiben.

Die Klein­bau­ern sind der­weil auf JA-Zen­chu ange­wie­sen. Unter­neh­me­ri­schen Frei­raum gibt es kaum. Der Ein­fluss der JA-Zen­chu ist immens. Die Orga­ni­sa­ti­on führt heu­te eine Bank (Norin Chuo Gin­ko), eine Ver­si­che­rung (Zen­kyo­ren) und Kli­ni­ken auf dem Land (JA Zen­koren). Die JA-Zen­chu konn­te poli­tisch jah­re­lang auf die Unter­stüt­zung der ewi­gen Regie­rungs­par­tei der Libe­ral­de­mo­kra­ten (LDP) zäh­len. Im Gegen­zug waren der LDP die Stim­men der Bau­ern sicher. Doch die Zei­ten ändern sich.

Es wird weni­ger Reis gegessen

Der Reis­kon­sum ist in den letz­ten zwei Jahr­zehn­ten um 20 Pro­zent gesun­ken. 2006 kon­su­mier­te jeder Japa­ner im Schnitt 61 Kilo Reis pro Jahr. Im Jahr 1960 war der Pro-Kopf-Ver­brauch mit rund 115 Kilo fast dop­pelt so hoch (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Ein Grund dafür ist die zuneh­men­de Beliebt­heit von Wei­zen­pro­duk­ten. So ist bei­spiels­wei­se schon lan­ge nicht mehr Reis, son­dern Brot das bevor­zug­te Früh­stück des Japa­ners (Asi­en­spie­gel berich­te­te).

Aus­ser­dem sorgt die Über­al­te­rung für eine mas­si­ve Abnah­me bei der Nach­fra­ge. Die heu­te rund 3 Mil­lio­nen Reis­bau­ern sind durch­schnitt­lich 70 Jah­re alt. Von den 2,5 Mil­lio­nen Hekta­ren Reis­fel­dern lie­gen heu­te rund 1 Mil­li­on Hekta­ren brach, wie die Finan­ci­al Times berich­tet. Mit den für JA-Zen­chu sin­ken­den Ein­nah­men ist in den letz­ten Jah­ren auch der Ein­fluss gesun­ken. Der japa­ni­sche Reis ist heu­te nicht mehr viel teu­rer als der kali­for­ni­sche Rundkornreis.

Der velo­re­ne poli­ti­sche Einfluss

Mit Pre­mier­mi­nis­ter Shin­zo Abe ist nun erst­mals auch ein Ver­tre­ter der Libe­ral­de­mo­kra­ten an der Macht, der nicht nur bereit ist, das Macht­mo­no­pol der JA-Zen­chu zu bre­chen, son­dern auch die poli­ti­sche Mehr­heit ver­fügt, um dies umzu­set­zen. Eine val­ab­le Alter­na­ti­ve zu den Libe­ral­de­mo­kra­ten gibt es für die JA-Zen­chu nicht.

Abe hat die Restruk­tu­ie­rung des Land­wirt­schafts­sek­tors zu einem Haupt­pfei­ler sei­nes Wirt­schafts­pro­gramms gemacht. So hat im August das Par­la­ment ein Gesetz durch­ge­bracht, das den poli­ti­schen Ein­fluss der Land­wirt­schafts­ko­ope­ra­ti­ven beschnei­det und das Unter­neh­mer­tum im Agrar­sek­tor för­dern soll.

Das Frei­han­dels­ab­kom­men

Mit dem Abschluss der Ver­hand­lun­gen zum TPP-Frei­han­dels­ab­kom­men hat Pre­mier Abe einen wei­te­ren Schritt zur Reor­ga­ni­sa­ti­on des Land­wirt­schafts­sek­tors voll­zo­gen. Die künf­tig gröss­te Frei­han­dels­zo­ne der Welt wird 12 Län­der im pazi­fi­schen Raum umfas­sen, die 40 Pro­zent der Welt­wirt­schafts­leis­tung abde­cken. Han­dels­re­strik­tio­nen und Zoll­schran­ken für ver­schie­dens­te Güter wer­den abge­baut oder gänz­lich fal­len. Das Abkom­men mit den Wirt­schafts­gi­gan­ten USA und Japan soll als Gegen­ge­wicht zum wach­sen­den poli­ti­schen Ein­fluss Chi­nas in der Regi­on dienen.

Pre­mier Abe rech­net mit neu­en Export- und Wachs­tums­chan­cen für die japa­ni­sche Wirt­schaft. Dafür war er auch bereit, die Ein­fuhr­hür­den für zahl­rei­che, zen­tra­le japa­ni­sche Land­wirt­schafts­pro­duk­te abzu­bau­en, trotz des Wider­stan­des von JA-Zen­chu und vie­ler Bau­ern. So soll bei­spiels­wei­se der Import­zoll für Rind­fleisch inner­halb von 16 Jah­ren von 38,5 Pro­zent auf 9 Pro­zent gesenkt werden.

Mit dem neu­en Abkom­men hat Japan zwar den Zoll­satz von 778 Pro­zent für Reis auf­recht­erhal­ten kön­nen. Gleich­zei­tig wer­den Aus­tra­li­en und die USA künf­tig jähr­lich bis zu 78’000 Ton­nen nach Japan zoll­frei expor­tie­ren dür­fen. Somit wird Japan künf­tig pro Jahr ins­ge­samt 850’000 Ton­nen aus­län­di­scher Reis impor­tie­ren. Dies macht rund 10 Pro­zent des jähr­li­chen Reis­kon­sums in Japan aus.

Das Ende des unan­tast­ba­ren Reises

Es bleibt eine über­schau­be­re Zahl. Den­noch befürch­ten vie­le Ver­tre­ter der japa­ni­schen Land­wirt­schaft nun, dass der Preis­zer­fall des Rei­ses wei­ter beschleu­nigt und die Tür zur wei­te­ren Libe­ra­li­sie­rung das Markts damit weit geöff­net wird. Die Bil­lig-Sushi-Ket­te Kura­zu­shi hat einen Tag nach dem TPP-Ver­hand­lungs­ab­schluss ange­kün­digt, den Kauf von kali­for­ni­schem Reis zu prü­fen, falls die­ser bil­li­ger und qua­li­ta­tiv gut sei, wie NHK News berich­tet. Ande­re wie­der­um argu­men­tie­ren, dass es auch eine Chan­ce sein könn­te, den qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen japa­ni­schen Reis, der beson­ders in Asi­en gefragt ist, ver­mehrt zu exportieren.

Die japa­ni­sche Regie­rung hat ange­kün­digt, die mög­li­chen Fol­gen für die Bau­ern mit Gegen­mass­nah­men abfe­dern zu wol­len. Noch muss das TPP-Abkom­men von allen Län­dern abge­seg­net wer­den. Doch so viel ist schon klar: Die japa­ni­sche Reis­bran­che steht vor gros­sen Umbrüchen.

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