Das Ehe- und Doppelnamenverbot
Das Oberste Gericht in Tokio behandelt zurzeit zwei Fälle, die sich mit zwei umstrittenen Aspekten des japanischen Familienrechts beschäftigen. Die Urteile werden darüber entscheiden, ob Japan künftig einen Weg zu mehr Gleichberechtigung beschreitet oder weiterhin an Gesetzesparagraphen festhält, die von 1898 stammen und nach Meinung vieler gegen die Verfassung verstossen. Doch worum geht es genau?
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Fall 1: Der Zwang zum gemeinsamen Familiennamen
Heiratet man in Japan, muss sich das Ehepaar auf einen einzigen Familiennamen einigen. In 98 Prozent der Fälle ist es der Name des Ehemannes. Hat die Familie der Ehefrau keinen männlichen Erben, kommt es vor, dass der Ehemann den Familiennamen seiner Braut annimmt. Die Möglichkeit eines Doppelnamens wie in westlichen Ländern gibt es nicht. Japan ist gar das einzige Land der G – 8-Gemeinschaft, das am Prinzip eines einzigen Familiennamens festhält.
Gegen dieses Gesetz haben fünf Personen 2011 Klage eingereicht (Asienspiegel berichtete). Sie sind der Meinung, dass der Artikel 750 des Zivilgesetzbuches, in dem die Notwendigkeit eines einzigen Familiennamens festgeschrieben ist, gegen die Prinzipien der Verfassung verstosse. Denn im Artikel 13 und 14 der Verfassung heisst es, dass «alle Menschen als Individuen respektiert werden müssen» und «Ehemann und Ehefrau die gleichen Rechte haben».
Der Zwang, sich bei der Hochzeit auf einen einzigen Familiennahmen festlegen zu müssen, widerspreche diesen beiden Artikeln. Es dürfe nicht sein, dass sich eine Frau zwischen ihrem Familiennamen und der Ehe entscheiden müsse. Ausserdem verweist die Klägergruppe auf einen Bericht einer Kommission des Justizministeriums von 1996, in dem eine entsprechende Anpassung des Familienrechts empfohlen wurde.
Der politische Widerstand
Politische Vorstösse scheiterten am Widerstand der regierenden Liberaldemokraten. Als 2009 die Demokratische Partei an die Macht kam, verhinderte der Koalitionspartner eine Liberalisierung des Familienrechts. Das Lokal- sowie das Bezirksgericht haben die Klage der fünf Personen ebenfalls zurückgewiesen. Nun ist es am Obersten Gericht einen Entscheid zu fällen, wie die Mainichi Shimbun berichtet.
Eine Ausnahme gilt übrigens für Japanerinnen und Japaner, die mit Ausländern verheiratet sind. Sie dürfen ihren japanischen Familiennamen beibehalten.
Fall 2: Das Heiratsverbot für Frauen
Auch im zweiten Gerichtsfall geht es um die Familie. Der Artikel 733 des japanischen Zivilgesetzbuches besagt, dass eine Frau erst 180 Tage nach einer Scheidung wieder heiraten darf. Für den Mann gilt solches jedoch nicht.
Ursprünglich wollten die Autoren mit diesem Gesetzesparagraphen verhindern, dass bei einer Schwangerschaft zwischen Scheidung und erneuter Heirat Unklarheiten bezüglich der Vaterschaft entstehen. Denn erst nach 6 Monaten sei bei einer Frau eine Schwangerschaft klar erkennbar, so die damalige Ansicht.
Der Artikel 772 klärt ausserdem den Fall einer Schwangerschaft zwischen Trennung und Neuvermählung. Demnach wird der geschiedene Ehemann immer noch als der legitime Vater angesehen, wenn die Frau weniger als 300 Tage nach der Scheidung ein Kind gebärt. Wenn die Frau jedoch ein Kind 200 Tage nach einer zweiten, neuen Heirat gebärt, wird automatisch der neue Ehemann als Vater anerkannt.
Der DNA-Test
Es sind Gesetze, die aus einer Zeit stammen, als noch keine DNA-Tests zur Bestimmung der Vaterschaft existierten. Entsprechend antiquiert wirken die Artikel 733 und 772 aus heutiger Sicht. Eine Frau aus der Präfektur Okayama reichte 2012 Klage ein. Das Gesetz verstosse gegen die verfassungsmässig verankerte Gleichberechtigung, so ihre Begründung (Asienspiegel berichtete).
Sie wollte nach ihrer Scheidung nicht 180 Tage auf ihre zweite Heirat warten. Sie verlangte zumindest eine Herabsetzung dieser Limite auf 100 Tage. Lokal- wie auch Bezirksgericht lehnten die Klage ab. Die Frau zog den Fall weiter ans Oberste Gericht, wie die Nikkei Shimbun berichtet. Die Kläger argumentierten bei der Anhörung vor der letzten gerichtlichen Instanz, dass die heutigen DNA-Tests ein solches Gesetz überflüssig machen würden. Die Verteidigung wiederum stellte sich auf den Standpunkt, dass nicht alle Bürger einen DNA-Test machen würden.
In beiden Fällen soll bis Ende Jahr ein Urteil gefällt werden.
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