Die Schweiz erhält Mr Abenomics

Etsuro Honda ist zum neuen japanischen Botschafter in der Schweiz ernannt worden, wie die Sankei Shimbun berichtet. Der 61-Jährige ist ein ehemaliger einflussreicher Bürokrat des Finanzministeriums mit Arbeitserfahrung im Aussenministerium, Professor an der Universität Shizuoka und einer der wichtigsten Spezialberater des Regierungskabinetts mit Büro im Amtssitz von Premierminister Shinzo Abe. Gerne wird er als «das wirtschaftliche Gehirn» der Regierung bezeichnet.
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So gilt der 61-Jährige als einer der Architekten von Abenomics. Mit dieser Wirtschaftspolitik der drei Pfeile, einer Mischung aus lockerer Geldpolitik, staatlichen Konjunkturprogrammen sowie wirtschaftlichen Strukturreformen, versucht Shinzo Abe seit seinem Amtsantritt Ende 2012 sein Land aus der Stagnation herauszuholen, eine positives Wirtschafts- und Konsumumfeld zu schaffen und so das Land wirtschaftlich wieder auf Kurs zu bringen
Wie wirksam diese Strategie bisher war, darüber streiten sich die Experten. Viele Japaner hielten Abe damals zugute, dass er etwas wagte, um Japan aus der anhaltenden Stagnation zu bringen. Heute wird bemängelt, dass die Strukturreformen zu langsam voranschreiten und Abenomics bei den Konsumenten nie wirklich angekommen ist. Die Preise sind zwar gestiegen, die Löhne jedoch kaum.
Wirtschaftlich und politische Gefährten
Zu grossen Rückschlägen für das kühne Wirtschaftsprogramm wurden das schleppende Wachstum in China sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuererhöhung von 5 auf 8 Prozent im Jahr 2014, die den Konsum in Japan einbrechen liess. Dabei hätte es noch schlimmer kommen können. Es soll Etsuro Honda gewesen sein, der Abe nahe legte, die zweite Stufe der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung auf 10 Prozent bis 2017 zu verschieben. Er befürchtete schon bei der ersten Erhöhung einen wirtschaftlichen Rückschlag und sprach sich stattdessen für eine graduelle Erhöhung um 1 Prozent pro Jahr aus.
Heute ist Honda gar der Meinung, dass die zweite Erhöhung noch einmal auf einen späteren Zeitpunkt verlegt und Japans Konsum mit einem Konjunkturprogramm angekurbelt werden sollte, wie die Yomiuri Shimbun berichtet.
Weshalb die Schweiz?
Shinzo Abe und Etsuro Honda kennen sich schon seit drei Jahrzehnten persönlich und sollen laut dem Wall Street Journal nicht nur wirtschaftlich sondern auch politisch die gleiche Meinung teilen. So vertritt Honda genau wie Abe einen nationalkonservativen Kurs eines politisch und militärisch selbstbewussten Japans, um gegen ein erstarkendes China zu bestehen.
In Japan stellt sich daher die Frage, weshalb dieser wichtige Gefährte Abes nun in die Schweiz zieht? ANN News meint, dass sich Abes Wirtschaftspolitik mit dem Weggang Hondas womöglich in eine neue Richtung bewegen könnte. Kritiker von Hondas Fiskalansichten äusserten die Hoffnung, dass Abe nun die zweite Mehrwertsteuererhöhung nicht noch ein weiteres Mal hinauszögern würde.
Die Regierung hat jedoch bereits betont, dass Honda weiterhin ein Spezialberater bleiben wird. So wird er auch am G7-Gipfel in Japan Ende Mai teilnehmen und seinen Einfluss fürs Erste behalten. Ab Juni wird er den Botschafterposten antreten. Die Sankei Shimbun wie auch die Mainichi Shimbun sprechen diesbezüglich von einer in dieser Form aussergewöhnlichen Kombination zweier Posten.
Die beiden Medien mutmassen, dass Honda als neuer Botschafter in der Schweiz – mit der UNO in Genf und dem WEF-Treffen in Davos ein nicht unwichtiger diplomatischer Standort – nun auch auf internationaler Ebene verstärkt für Abes Wirtschaftspolitik werben könnte. Die Nikkei Shimbun interpretiert Hondas Ernennung schlichtweg als Belohnung für dessen bisherige Arbeit. Honda wird Nachfolger Ryuhei Maeda, der seit 2013 Botschafter in der Schweiz war.
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