Das erste Gesetz gegen Hassreden
In Japans Städten kam es gemäss dem Justizministerium zwischen 2012 und 2015 zu mindestens 1152 Hassreden. Es handelt sich gewöhnlich um Demonstrationen von Mitglieder rechtsgerichteter Gruppen, die auf den Strassen rassistische Reden gegen die koreanischstämmige Minderheit in Japan halten. Während Jahrzehnten wurde dieses Vorgehen mit dem Verweis auf die verfassungsrechtlich garantierte Meinungs- und Redefreiheit toleriert.
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Japan geriet mit dieser Toleranz gegenüber Hassrednern jedoch zunehmend in der Kritik. Im August 2014 hatte die UNO Japan aufgefordert, aktiv zu werden (Asienspiegel berichtete). Über 23 Lokalregierungen und -Parlamente in Japan verlangten von Tokio, rechtlich gegen die Hassreden vorzugehen. Ausserdem profitiert die Wirtschaft des Landes so stark wie noch nie von den jährlich fast 20 Millionen ausländischen Touristen. Hinzu kommen im Jahr 2020 die Sommerspiele in Tokio. Der Tenor war klar: Japan verliere das internationale Vertrauen, wenn es Hassreden weiterhin tolerieren würde.
Gegenmassnahmen, aber kein Verbot
Nun steht das japanische Parlament kurz davor, erstmals überhaupt ein Gesetz gegen die Hassreden zu erlassen. Das Oberhaus hat bereits zugestimmt, das Unterhaus folgt in den kommenden Tagen.
Im neuen Gesetz heisst es, dass rassistische Taten und Worte gegen Ausländer und deren Kinder nicht toleriert würden. Es verpflichtet die Behörden auf allen Ebenen, aktiv Massnahmen zu ergreifen, um Hassreden in Zukunft zu vermeiden. Dies soll vornehmlich über Aufklärungskampagnen geschehen. Ausserdem müssen die Behörden eine Anlaufstelle für Opfer schaffen.
Im Gesetz steht jedoch nichts von einem Verbot noch irgendwelchen Strafen gegen Hassreden – aus Rücksicht vor der verfassungsmässig garantieren Meinungs- und Redefreiheit, wie es heisst. Kritiker sprechen daher von einem zahnlosen Gesetz. Andere wiederum sehen es als ersten wichtigen Schritt in der Beseitigung der Hassreden. Der Staat sei nun erstmals aktiv aufgefordert, etwas dagegen zu unternehmen.
Kampagnen gegen Hassreden
Wie diese Massnahmen künftig aussehen könnten, zeigen bereits einige Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. Im Februar bat das Justizministerium, zwei Video-Seiten-Betreiber, darunter NicoNico, filmische Beiträge von anti-koreanischen Aktivisten zu löschen, da diese mit ihrem Handeln gegen die Menschenrechte sowie auf das Recht auf Privatsphäre verstossen würden.
Die Bitte war zwar rechtlich nicht bindend, doch die Betreiber entfernten daraufhin entsprechende Hassreden-Videos. Das Ministerium wurde von privaten Personen darauf aufmerksam gemacht (Asienspiegel berichtete).
Rechtliche Möglichkeiten
2015 startete das Justizministerium zudem eine Kampagne zum Schutz der Menschenrechte. «Hassreden tolerieren wir nicht», heisst der Slogan auf der eigens eingerichteten Informations-Website. Aufklärungsplakate wurden in den Bahnhöfen aufgehängt, ein Aufklärungsfilm online geschaltet und eine Beratungsstelle für Opfer geschaffen.
Selbst der Oberste Gerichtshof hatte am 9. Dezember 2014 erstmals überhaupt eine anti-koreanische Demonstration in Kyoto als Verstoss gegen die Menschenrechte und damit als illegal eingestuft. Die Verurteilten mussten eine hohe Geldstrafe bezahlen (Asienspiegel berichtete).
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs hat gezeigt, dass man bereits heute eine rechtliche Handhabe gegen Hassredner hat. Das neue Gesetz nimmt die Behörden nun zusätzlich in die Pflicht. Nun hängt es ganz davon ab, wie aktiv sich die Behörden künftig einsetzen werden.
Eine lange Leidensgeschichte
Die Koreaner bilden neben den Chinesen die grösste ausländische Minderheit in Japan. Viele von ihnen sind seit Generationen im Land. Sie kamen, als Korea noch unter japanischer Besatzung war. Manche machten den Weg freiwillig, andere wurden während des Zweiten Weltkriegs zur Zwangsarbeit nach Japan überführt.
Ihre Nachkommen werden bis heute in Beruf und Gesellschaft teilweise diskriminiert. Viele verzichten auf die Annahme der japanischen Staatsbürgerschaft, da diese eine vollständige Assimilation inklusive Namensänderung voraussetzt. Eine Doppelbürgerschaft ist in Japan nicht erlaubt.
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