Japans eigene Zeitrechnung

In Japan schreibt man das Jahr 2016 oder gemäss traditioneller Zeitrechnung «Heisei 28». Heisei (kann als «Friede überall» übersetzt werden) ist die Äradevise – auf Japanisch gengo – des derzeitigen Kaisers Akihito und die Zahl steht für dessen Amtsjahre.
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Seit dem Jahr 645 hat Japan 247 unterschiedliche Epochennamen erlebt. Früher wechselten die Herrscher diese Bezeichnungen regelmässig, insbesondere nach grossen Katastrophen. Das änderte sich erst 1868 mit dem Beginn der Meiji-Zeit. Seither endet eine Äradevise jeweils mit dem Tod des Kaisers.
Gerade mal vier Gengos erlebte Japan in den letzten 150 Jahren: Die Meiji- (1868 bis 1912), Taisho (1912 – 1926), Showa- (1926 – 1989) und Heisei-Ära (1989 bis heute). Für die Japaner sind es nicht irgendwelche abstrakte Begriffe. Sie werden im Alltagsleben aktiv verwendet. Beim Ausfüllen von Formularen ist es nichts Ungewöhnliches, dass man nicht unsere Jahreszahl, sondern die japanische Variante hinschreibt.
Die Ära und ihre Bedeutung
Die Äradevisen sind für die Japaner ausserdem ein historischer Kompass. Meiji war die Epoche des Umbruchs und der Industrialisierung, als sich Japan vom Feudalstaat zu einer Grossmacht wandelte. Die kurze Taisho-Ära war geprägt von einer Zeit des demokratischen Aufbruchs. Die 64 Jahre andauernde Showa-Zeit unter Kaiser Hirohito, die längste Ära bisher, kann derweil in zwei grosse Kapitel aufgeteilt werden. Da war zum einen die Zeit des Militarismus, gefolgt von der Niederlage im Zweiten Weltkrieg.
Für die Japaner der Nachkriegsjahrzehnte wird Showa jedoch vielmehr mit dem Wirtschaftswunder gleichgesetzt. Heute spricht man nostalgisch von dieser Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1989, als das Land einen beispiellosen wirtschaftlichen Höhenflug erlebte und die Grundlage für einen neuen Wohlstand legte. Showa, das ist für die Japaner die gute alte Zeit. Die anhaltende Heisei-Zeit ist derweil geprägt von wirtschaftlicher Stagnation, zwei grossen Erdbeben 1995 und 2011 und politischen Umbrüchen. Eine Website hat diese historischen Zeitabschnitte visuell aufbereitet (Asienspiegel berichtete).
Der Expresswechsel
Kommt es zum Tod des Kaisers, dann muss alles schnell gehen. Als Hirohito am Morgen des 7. Januars 1989 starb, vergingen nur wenige Stunden bis der damalige Kabinettssekretär Keizo Obuchi das Ende der Showa- und der Beginn der Heisei-Zeit am Fernsehen verkündete. Und so entspricht der 7. Januar 1989 noch dem Jahr «Showa 64», während der 8. Januar 1989 das Jahr «Heisei 1» ist. Ein Jahr 0 gibt es im Gengo-System nicht.
Ein Wechsel der Äradevise kommt so einem administrativen und technischen Grossaufwand gleich. Denn bis zum Tod des Kaisers erfährt niemand den neuen Namen. Darüber berät jeweils eine Regierungskommission und externe Experten. Am Tag der Verkündung gilt es, für Behörden und Wirtschaft schnell zu handeln. Gerade in unserem digitalen Zeitalter bereitet ein derart abrupter Wechsel den Informatikern schon heute Kopfzerbrechen, wie J-Cast News berichtet. Dies werde ein immenser logistischer Aufwand sein, heisst es. Man wäre froh, wenn man sich ein bis zwei Jahre darauf vorbereiten könnte.
In diesem Sinne würde eine Abdankung des aktuellen Kaisers Akihito, die zurzeit im Raum steht (Asienspiegel berichtete), im modernen Japan aber noch nie vorkam, einiges ändern. Behörden, Wirtschaft und die Informatiker könnten sich in Ruhe auf den Wechsel vorbereiten.
Das Gengo-System nach dem Krieg
Übrigens ist es keine Selbstverständlichkeit, dass das Gengo-System nach dem Krieg überlebt hat. Die neue Verfassung, die 1947 in Kraft trat, entzog dem Kaiser jegliche politische Macht und Funktion und erklärte ihn lediglich zu einem Symbol der Nation. Das Gengo-System fand darin überhaupt keine Erwähnung. Erst 1979 wurde ein entsprechendes Gesetz eingeführt, das den Erhalt und den Prozess zur Bestimmung der Äradevise definierte. Seither ist es an der Regierung, den Namen der neuen Ära zu bestimmen und zu verkünden.
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