Japans Umgang mit Halb-Japanern
Renho Murata ist ihr offizieller Name. Nennen tun sie alle nur Renho. Die 48-Jährige machte sich bereits vor sechs in der kurzen Regierungszeit der Demokratischen Partei einen Namen als engagierte und schlagfertige Ministerin und Regierungsberaterin (Asienspiegel berichtete). Schon drei Mal hat sie die Wahl ins Oberhaus geschafft und jedes Mal mit einem Glanzresultat.
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Nun steht sie womöglich vor ihrem grössten Karriereschritt. Sie möchte die Präsidentin der Demokratischen Partei (DPJ) werden. Die Wahlen sind am 15. September. Die immer noch grösste Oppositionspartei stolperte nach dem kurzen Regierungsintermezzo zwischen 2009 und 2012 von einer Wahlniederlage zu nächsten. Viele glauben, dass nur die charismatische Renho diese anhaltende Krise der DPJ überwinden kann.
In einem Land, in dem lediglich 1,7 Prozent der Bevölkerung Ausländer sind (Asienspiegel berichtete), steht Renho für eine neue internationale Generation von Japanern, die mit dem monoethnischen Selbstbild des Landes aufräumen. So ist ihr Vater aus Taiwan, die Mutter aus Japan. Geboren und aufgewachsen ist sie in Tokio. Als TV-Journalistin wurden sie in den 90er-Jahren bekannt. An der Universität Peking hat sie zudem die chinesische Sprache erlernt.
Gerüchte und Vorwürfe
Gleichzeitig hat ihre Kandidatur in den letzten Tagen aufgezeigt, wie sich Japan noch immer schwertut mit Mitbürgern, die einen internationalen Hintergrund haben. Anstatt über politische Themen zu diskutieren, ist zurzeit einzig Renhos Nationalität das Thema in den Medien. Es erinnert an die unsinnige, von rechten Kreisen ausgelöste Debatte um Barack Obamas Geburtsort.
Renho hat wiederholt betont, dass sie sich 1985 im Alter von 17 Jahren für die japanische Staatsbürgerschaft entschied und die taiwanische damals aufgab. Renho hatte als Kind die Nationalität des Vaters, weil das japanische Gesetz nichts anderes erlaubte. Erst 1985 wurde es in Japan möglich, dass Kinder mit einem ausländischen Vater und einer japanischen Mutter, Japaner werden konnten. Entsprechend machte sie Gebrauch davon.
Weil einige ihrer Gegner ihre Erklärung offen anzweifelten und Gerüchte über eine mögliche doppelte Staatsbürgerschaft verbreiteten, war sie nun gezwungen, den Verzicht der taiwanischen Nationalität bei der Landesvertretung nochmals zu bestätigen und offizialisieren zu lassen, wie NHK News berichtet.
Das Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft
Die Geschichte um Renho verweist auf eine Gesetzgebung, die von vielen Japanern zunehmend in Frage gestellt und in vielen Fällen nicht mehr den Realitäten gerecht wird. So toleriert Japan bis heute keine doppelten Staatsbürgerschaften. Spätestens bis zum 22. Lebensjahr muss sich eine Person, die einen japanischen und einen anderen Pass besitzt, für einen entscheiden (Asienspiegel berichtete).
Millionen von Menschen mit japanischen Wurzeln, die ganz natürlich in zwei oder mehreren Kulturen aufgewachsen sind, stellt dieser Entscheid vor eine Zerreissprobe. Das führt dazu, dass viele Betroffene den japanischen Pass stillschweigend behalten. Heute besitzen rund 680’000 Japaner noch einen zweiten Pass (Asienspiegel berichtete).
Noch nie einen Pass entzogen
Von den japanischen Behörden wird dies toleriert. Laut der Japan Times hat das Justizministerium seit Einführung des Nationalitätengesetzes 1985 noch nie einem Japaner wegen Doppelbürgerschaft die Staatsbürgerschaft entzogen. Eine gesetzliche Strafe für eine doppelte Nationalität gibt es ebensowenig. Eine Staatsbürgerschaft zu entziehen, sei eine extrem heikle Angelegenheit mit grossen Auswirkungen für die betroffene Person. Deshalb gehe man äusserst vorsichtig damit um, hat ein Offizieller des Justizministeriums der Japan Times erklärt.
Trotzdem bleibt das Nationalitätengesetz eine schwere Hypothek für alle japanischen Politiker und öffentlichen Personen mit multinationalem Hintergrund. Zu einfach sind sie so diskriminierenden Anfeindungen und irreführenden Gerüchten ausgesetzt, wie das Beispiel von Renho zeigt.
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