Nagoya, die vergessene Metropole
Nagoya hat allen Grund stolz zu sein. Mit 2,29 Millionen Einwohnern ist sie nach Tokio, Yokohama und Osaka die viertgrösste Stadt des Landes (Asienspiegel berichtete). Nagoya verfügt über einen riesigen Güterhafen. Der Internationale Flughafen ist eine der modernsten des Landes. Autohersteller Toyota ist ein wichtiger Teil dieser Region.
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Ausserdem wird 2027 der neue Maglev, Japans erste Magnetschwebebahn, in Nagoya Halt machen. Die Fahrzeit ins 286 Kilometer entfernte Tokio wird dann nur 40 Minuten betragen (Asienspiegel berichtete). Nagoya ist zweifellos ein Wirtschaftsmotor des Landes.
Nagoyas Komplex
Und trotzdem hat Nagoya einen Komplex. Die Stadt fühlt sich regelmässig übergangen. Geografisch zwischen den noch grösseren Metropolen Tokio und Osaka gelegen, wirkt die Stadt immer etwas kleiner als sie eigentlich ist. Zu gerne wird sie vernachlässigt. In Nagoya spricht man in diesem Zusammenhang von Nagoya tobashi, «Nagoya übergehen».
Zuletzt bekam sie dies Ende September zu spüren, als Premierminister Shinzo Abe in einer Grundsatzrede von den wichtigen Wirtschaftshubs Tokio und Osaka sprach. Er betonte darin, dass es wichtig sei, den Maglev nicht erst 2045, sondern schon 2037 bis nach Osaka zu führen, um eine grosse Wirtschaftsregion zu erschaffen.
Nagoya erwähnte Abe mit keinem Wort. Ein weiteres Mal wurde die Stadt so behandelt, als wäre sie lediglich ein Vorort von Osaka oder Tokio. Bürgermeister Takashi Kawamura beklagte sich öffentlich darüber, wie die Asahi Shimbun berichtete. Der Premierminister habe mit seiner Rede den Begriff Nagoya Tobashi nur noch bestätigt.
Die Stadt, die niemand besuchen möchte
Nur wenige Wochen zuvor hatte Nagoya mit einer anderen Demütigung zu kämpfen. Das Tourismusbüro der Stadt führte eine Internet-Umfrage durch, mit der sie den Charme und die touristische Attraktivität der japanischen Grossstädte vergleichen wollte. Die Aktion wurde zum Desaster. Während Tokio, Yokohama, Sapporo, Osaka, Kobe und Fukuoka ganz ordentlich abschnitten, landete Nagoya bei beiden Bewertungen mit riesigem Abstand auf dem letzten Platz.
Bei der Frage, ob man Nagoya besuchen möchte, erhielt die Stadt tiefe 1,4 Indexpunkte, während die anderen Städte mindestens 16 oder mehr erhielten. In einer zweiten Umfrage meinten 30,1 Prozent der Befragten, es fehle Nagoya an Charme. Keine andere Stadt schnitt nur annähernd so schlecht ab. Von der «Stadt, die niemand besuchen möchte» schrieb man in den Zeitungen und Blogs.
Von Superstars und Shinkansen ignoriert
Das Nagoya-Tobashi-Syndrom nahm bereits vor einigen Jahrzehnte ihren Anfang. Als 1987 die beiden globalen Superstars Michael Jackson wie auch Madonna in Japan tourten, gab es Konzerte in Tokio, Yokohama und Osaka. Nagoya stand aber weder bei Michael Jackson noch bei Madonna auf der Liste. Die Enttäuschung war entsprechend gross.
Noch schlimmer wurde es aber, als der neue schnelle Hochgeschwindigkeitszug des Typs Nozomi 1992 zwischen Tokio und Osaka seinen Betrieb aufnahm. Damals entschieden die Betreiber jeweils den ersten Nozomi-Shinkansen um 6 Uhr morgens direkt von Tokio über Yokohama nach Osaka fahren zu lassen. Nagoya wie auch Kyoto wurden ausgelassen. Nur so könne man pünktlich um 8:30 Uhr in Osaka ankommen, hiess es damals.
Als der Nozomi am 14. März 1992 seine erste Fahrt aufnahm, sprach man in Nagoya von einem «Morgen der Demütigung». Über fünf Jahre musste die Stadt diesen Zustand ertragen. Erst seit November 1997 macht der frühmorgendliche Nozomi-Shinkansen auch in Nagoya sowie in Kyoto Halt. Der Zug kommt auch so pünktlich um 8:30 Uhr in Osaka an.
Egal wie gut Nagoya wirtschaftlich abschneidet: Die Stadt wird wohl nie richtig mit Tokio und Osaka klarkommen. Zu oft fühlte sie sich in den letzten Jahrzehnten übergangen.
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