Die Monster-Kunden
«Der Kunde ist König»: Dieses Sprichwort wird in Japan gelebt. Für die Kunden tun die Angestellten und Firmen alles – und man ist zurecht stolz darauf. «Omotenashi», mit diesem Wort für die legendäre Gastfreundschaft macht Japan auch gerne Werbung im Ausland (Asienspiegel berichtete). Gerade auch ausländische Touristen schätzen diesen Aspekt der japanischen Gesellschaft.
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Diese ständige Bereitschaft dem Kunden zu dienen, hat aber auch seine Schattenseiten, wie ein Fall aus Osaka zeigt. Im September dieses Jahres wurde ein Angestellter der Kintentsu-Bahn von wütenden Passagieren im Bahnhof Higashi-Hanazono bedrängt. Der Zug hatte wegen eines Selbstmordes in einem anderen Bahnhof Verspätung. Die wartenden Passagiere verloren wegen der langen Wartezeit offenbar die Geduld.
Der Sprung in die Tiefe
Irgendwann konnte der Zugführer nicht mehr. Er legte seinen Hut ab, zog seine Jacke aus, sprang auf die Gleise, stieg über einen Zaun der Hochbahn und stürzte sich schliesslich 7 Meter in die Tiefe, wie die Asahi Shimbun berichtete. Er überlebte, brach sich jedoch mehrere Knochen. Verschiedene Passagiere, die die Szene beobachtet hatten, berichteten darüber auf Twitter.
Daraufhin brach eine öffentliche Diskussion los, wie weit Kunden eigentlich gehen dürfen. Von «Monster-Nörglern» ist auf Japanisch die Rede. Es sind Personen, die das Kunde-ist-König-Prinzip gnadenlos ausnutzen und missbrauchen, indem sie kleinste Probleme aufbauschen. Und solche Fälle sind nicht selten in Japan. Jährlich kommt es alleine bei den privaten Bahngesellschaften zu über 200 Übergriffen gegen Bahnangestellte.
Sich kniend verneigen
Auch in anderen Branchen kommt es zu ähnlichen Vorkommnissen. Vor zwei Jahren wurden gar vier Kunden verhaftet, nachdem sie eine junge Angestellte in einem Minimarkt gezwungen hatten, sich auf den Knien tief verbeugend zu entschuldigen (dogeza auf Japanisch), wie die Japan Times berichtete. Sie ärgerten sich darüber, dass sie ihnen heissen anstatt den gewünschten kalten Kaffee serviert hatte.
Inzwischen wird dieser abschätzige Umgang als eine weitere Form des in Japan verbreiteten «Power-Hara» (vom Englischen «Power Harassment»), des Mobbings von oben, angesehen (Asienspiegel berichtete): Der Kunde nutzt in diesem Fall seine Stellung gegenüber dem Dienstleister aus. Noch aber sträuben sich viele Unternehmen dies auch so klipp und klar auszusprechen und dagegen etwas zu tun. Denn wenn der Kunde nichts falsch machen kann, dann ist es schwierig, ihn zu kritisieren.
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