Flucht nach Grabsch-Vorwurf

Women-Only-Wagen: Eine Massnahme gegen Grabscher.
Women-Only-Wagen: Eine Mass­nah­me gegen Grab­scher. Foto: flickr/​Paul Pichota

Sexu­el­le Beläs­ti­gun­gen in den über­füll­ten Zügen sind seit Jahr­zehn­ten ein gesell­schaft­li­ches Pro­blem in Japan (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Bereits vor Jah­ren wur­den Wagen­ab­tei­le eigens für Frau­en geschaf­fen, Sicher­heits­leu­te ein­ge­stellt, Kame­ras instal­liert und Warn­pla­ka­te in den Bahn­hö­fen aufgestellt.

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Trotz all die­ser Bemü­hun­gen trei­ben die Grab­scher, auf Japa­nisch Chi­kan, wei­ter ihr Unwe­sen. Jähr­lich wer­den über 4000 Chi­kan-Fäl­le der Poli­zei gemel­det. Die Dun­kel­zif­fer ist noch viel höher ist. Gegen sexu­el­le Beläs­ti­gung im Zug wird inzwi­schen hart vor­ge­gan­gen. Den Grab­schern droht in Japan eine Geld­stra­fe von 500’000 Yen oder bis zu 10 Jah­ren Gefängnis.

Die ande­re Seite

Da gibt es aber auch noch eine ande­re Sei­te: Ist ein Mann heu­te dem Vor­wurf des Grab­schens aus­ge­setzt, dann muss er davon aus­ge­hen, dass er ver­ur­teilt wird, ja selbst wenn er unschul­dig ist. Denn wird er vor Ort ange­schul­digt und vom Bahn­per­so­nal fest­ge­hal­ten, ist eine Ver­haf­tung gewiss. Bis zu 23 Tagen kann der Staats­an­walt ihn in Unter­su­chungs­haft ste­cken, ohne wei­te­re Begrün­dung und ohne Ankla­ge. Kommt es zur Ankla­ge, wird der Beschul­dig­te in 99 Pro­zent der Fäl­le ver­ur­teilt. Denn so hoch ist die all­ge­mei­ne Ver­ur­tei­lungs­quo­te in Japan (Asi­en­spie­gel berich­te­te). Hin­zu kom­men alle nega­ti­ven Fol­gen für das beruf­li­che und fami­liä­re Leben.

Die­ses Jus­tiz­sys­tem hat dazu geführt, dass selbst vie­le Rechts­ex­per­ten den Män­nern emp­feh­len, bes­ser die Flucht zu ergrei­fen, soll­ten sie denn wirk­lich unschul­dig sein. Gera­de das Chi­kan-Phä­no­men hat sich als recht­li­ches Minen­feld ent­puppt, bei dem kaum auf Augen­zeu­gen zurück­ge­grif­fen wer­den kann. Flucht­fäl­le, ob von Schul­di­gen oder Unschul­di­gen, ereig­nen sich denn auch regel­mäs­sig. Allei­ne im März und April flo­hen fünf Män­ner vom Bahn­hof, als ihnen der Chi­kan-Vor­wurf gemacht wur­de. Vor eini­gen Tagen kam es sogar zu einem töd­li­chen Zwi­schen­fall, als ein Beschul­dig­ter über die Glei­se weg­rann­te und von einem Zug erwischt wur­de, wie TBS News berichtete.

Die Rat­schlä­ge eines Anwalts

Das Pro­blem dabei ist, dass gera­de auf der Flucht wei­te­re Ver­stös­se began­gen wer­den, wie die Mai­ni­chi Shim­bun berich­tet. Es kann zur Behin­de­rung des öffent­li­chen Ver­kehrs, zu uner­laub­ten Betre­ten von Pri­vat­grund oder nach einem Zusam­men­stoss zur Ver­let­zung unschul­di­ger Per­so­nen kommen.

Ein Anwalt rät im Gespräch mit der Zei­tung daher ab, weg­zu­ren­nen. Die Poli­zei sei nach der öffent­li­chen Kri­tik vor­sich­ti­ger gewor­den, betont die­ser. Den Per­so­nen, die fal­schen Anschul­di­gen aus­ge­setzt sei­en, emp­fiehlt er, sich beim Bahn­per­so­nal mit einer Visi­ten­kar­te vor­zu­stel­len. Denn sei man ein­mal iden­ti­fi­ziert, sei die Chan­ce klei­ner, dass man am Tat­ort wegen Flucht­ge­fahr fest­ge­hal­ten und so unge­wollt in Unter­su­chungs­haft gera­te. Es loh­ne sich auch, mög­lichst schnell einen Anwalt zu kon­tak­tie­ren und Augen­zeu­gen, die einen ent­las­ten kön­nen, auszumachen.

Hän­de hoch

Die Angst vor einer fal­schen Anschul­di­gung, berei­tet vie­len Män­nern der­art Sor­ge, dass sie wäh­rend der Fahrt demons­tra­tiv bei­de Hän­de im Zug jeweils am Hal­te­rie­men fest­hal­ten. Denn nie­mand will bei die­ser Rechts­la­ge dem Vor­wurf des Chi­kan aus­ge­setzt sein. Um das Pro­blem zu lösen, wer­den in den sozia­len Medi­en in Japan nun radi­ka­le Lösun­gen dis­ku­tiert, wie Blo­gos berich­tet. Anstatt nur ein Wagen sol­len künf­tig alle Wagen wäh­rend der Stoss­zei­ten nach Geschlech­tern getrennt wer­den, so ein Vor­schlag, der auf viel Zustim­mung stösst.

Der Film «I Just didn’t do it» (jap. «Sore demo boku wa yat­tenai») the­ma­ti­sier­te übri­gens bereits 2007 die­se Pro­ble­ma­tik. Regis­seur Masayu­ki Suo («Shall we dance») dreh­te dabei den Spiess um und por­trä­tier­te einen zu Unrecht wegen Grab­schens beschul­dig­ten Mann.

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