Wörter, die Japan bewegen
Japan ist das Land der One-Hit-Wonders. Stars und Trends kommen und gehen. Wer heute gefragt ist, ist morgen schon wieder vergessen. Auch die japanische Sprache mag es abwechslungsreich. Neue Wörter und Ausdrücke finden hier so schnell Eingang in die Gesellschaft, dass man ständig in Sorge leben muss, womöglich etwas zu verpassen. Der Verlag Jiyukokuminsha hat auf diese sprachliche Trends spezialisiert. Seit 1984 kürt er das Trendwort des Jahres.
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Jeweils am 1. Dezember wird dieses bekanntgegeben. Die 30 Wörter, die hierfür zur Auswahl stehen, wurden nun veröffentlicht. Sie fassen in vielerlei Hinsicht das ablaufende Jahr zusammen. Hier eine kleine Auswahl aus den 30 nominierten Trendwörtern, die man auch versteht, wenn man kein Japanisch spricht.
insta-bae (インスタ映え) – Wenn ein Produkt oder eine Szenerie visuell und ästhetisch einen derart guten Eindruck hinterlässt, dass man es fotografisch für Instagram festhalten will, dann spricht man in Japan von «insta-bae» (bzw. «insuta-bae»), dem «Instagram-Glanz». So hat der Boom der sozialen Medien zum Beispiel dazu geführt, dass immer mehr junge Menschen bei Stadtbesuchen fürs perfekte Foto einen farbenfrohen Kimono oder sommerlichen Yukata mieten (Asienspiegel berichtete). Diesen Sommer gab es zudem einen Boom der Pool-Partys auf den Terrassen der Hotels und Hochhäuser in Tokio. Die Urlaubsatmosphäre bot die perfekte Gelegenheit, um sich für Instagram in Szene zu setzen (Asienspiegel berichtete).
«aufheben» (アウフヘーベン) – Ja, ein deutsches Wort hat es auf die Spitzenposition der nominierten Ausdrücke geschafft. Verwendet wurde es wiederholt von Tokios Gouverneurin Yuriko Koike, insbesondere wenn sie über ihre neue Partei der Hoffnung oder über den umstrittenen Umzug des Fischmarktes Tsukiji sprach (Asienspiegel berichtete). Nun ist es im Japanischen nichts Ungewöhnliches, dass man ausländische Wörter «japanisiert». Doch in diesem Fall war kaum jemandem klar, was Koike mit «aufheben» eigentlich meinte. So kann das Wort im Deutschen ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Schliesslich klärte sie die Lage selber auf. Sie bezog sich auf die dialektische Aufhebung im Sinne des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegels. Beschrieben wird damit der «der Vorgang der Beendigung bzw. Überwindung eines Widerspruchs, wobei die positiven, wertvollen Elemente erhalten und fortgeführt werden und die negativen entfallen». Eine populistische Sprache kann man dieser Politikerin nicht vorwerfen.
unko kanji drill (うんこ感じドリル) – Spätestens seit dem Siegeszug der Emojis weiss man: Die Japaner haben ein unverkrampftes Verhältnis zum Kot, «unko» auf Japanisch genannt. Ja, selbst als Glücksbringer gibt es diese ungewöhnliche Figur. Shuji Yamamoto und Yusaku Furuya haben aus Kot sogar Gold gemacht. Die beiden haben mit dem «Unko Kanji Drill» einen Lehrmittel-Bestseller erschaffen (Asienspiegel berichtete). Das Maskottchen des sechsteiligen Lehrbuchs ist eine Figur mit kotförmigem Kopf. Das Lernen der Schriftzeichen wird damit zu vergnüglichen Unterhaltung für die Kinder, indem jeder der über 3000 Lernsätze das Wort «Unko» beinhaltet.
J-Alert (Jアラート) – Der 2007 eingeführte J-Alert kam wegen der nordkoreanischen Missile-Tests in diesem Jahr so viel zur Anwendung wie noch nie. Es handelt sich dabei um ein satellitenbasiertes Warnsystem, das in kürzester Zeit die Bevölkerung bei militärischen Gefahren möglichst frühzeitig informiert. Die Warnungen werden unverzüglich an Fernsehkanäle und Smartphones übermittelt. Die Behörden geben diese dann auch über Lautsprecher durch (Asienspiegel berichtete).
Ginza Six (GINZASIX) – 2013 wurde das altehrwürdige Kaufhaus Matsuzakaya im Tokioter Einkaufsviertel Ginza abgerissen. An seiner Stelle ist ein Neubau entstanden, der alles bisherige übertrifft. GINZA SIX heisst dieser neue Einkaufstempel, der 13 Stockwerke und 6 weitere Etagen im Untergeschoss zählt. 241 Läden und Büros auf mehreren Stockwerken beheimatet der Koloss. Hinzu kommen ein Noh-Theater, zahlreiche Restaurants, ein Minimarkt, ein Garten auf der Dachterrasse, eine Busstation und eine Touristeninformationsstelle. Ausserdem besitzt das Haus ein Notstromsystem und zahlreiche Lagerbestände für den Fall eines Erdbebens. Bis zu 3000 Menschen könnten hier im Notfall Zuflucht finden. Im Zentrum des schicken Kaufhauses hängen gleich mehrere Kürbis-Kunstwerke von Yayoi Kusama.
Premium Friday (プレミアムフライデー) – Mit viel Tamtam wurde am 24. Februar 2017 der erste «Premium Friday» in Japan lanciert. Die Idee war bestechend. Die überarbeitete Angestellten sollten jeweils am letzten Freitag des Monats spätestens um 15 Uhr das Büro verlassen, um die «Work-Life-Balace» wieder ins Lot zu bringen. Die Freizeit soll für Familie, Shopping, Reisen und Essen verwendet werden, um so gleichzeitig die Wirtschaft anzukurbeln. Die Kampagne ist zwar noch am Leben, hatte aber nie wirklich den gewünschten Effekt. Nur wenige Unternehme haben das Vorhaben bislang umgesetzt (Asienspiegel berichtete).
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