Frauen im Sumo-Ring unerwünscht
3000 Zuschauer waren am 4. April in der Stadt Maizuru in der Präfektur Kyoto zum grossen Sumo-Turnier gekommen. Der 67-jährige Bürgermeister Ryozo Tatami hielt im Ring eine Rede als er plötzlich bewusstlos zu Boden fiel. Sofort eilten einige Personen zu Hilfe, darunter auch mindestens vier Frauen, wie ein Youtube-Video des Vorfalls zeigte. Eine davon, eine Krankenschwester, unternahm sofort eine Herzdruckmassage. Noch während der lebensrettenden Massnahme tönte es aus dem Lautsprecher: «Wir bitten die Damen, den Ring zu verlassen!» Die Durchsage wird mehrmals wiederholt. «Überlassen Sie das den Männern», hört man weiter. Der Grund: Frauen gelten beim Sumo, der seine Ursprünge im Shintoismus hat, als «unrein» und dürfen den heiligen Kampfring nicht betreten. Vor jedem Wettkampf streuen die Sumo-Ringer auch Salz, um den Ring rituell zu reinigen.
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Das Pochen auf diese Tradition in einer derartigen Notfallsituation hat in Japan einen Skandal ausgelöst. Die Kritik in den Medien und in der Kommentarspalte des Videos sind entsprechend gross. «Sind solche Traditionen etwa wichtiger als ein Menschenleben?», «Das ist unerhört gegenüber den Frauen» oder «Das ist erbärmlich für die Sumo-Welt. Ich schaue mir diesen Sport nicht mehr an» heisst es. Der Vorsitzende des Sumo-Verbands hat sich inzwischen für das unangemessene Verhalten in dieser lebensgefährlichen Situation entschuldigt und sich für das lebensrettende Verhalten der Frauen bedankt, wie die Yomiuri Shimbun berichtet. Bürgermeister Tatami wurde nach dem Vorfall ins Krankenhaus gebracht. Es geht ihm wieder besser, er bleibt aber in ärztlicher Behandlung, wie die Kyoto Shimbun berichtet.
Eine Bürgermeisterin wehrt sich
Trotz der Entschuldigung: An der Praxis hält der Verband fest. Denn nur zwei Tage später musste Tomoko Nakagawa, Bürgermeisterin der Stadt Takarazuka (Asienspiegel berichtete), an einem Sumo-Turnier aus denselben Gründen am Rande des Kampfrings ihre Rede halten, wie Yahoo News berichtete.
Die Politikerin nutzte diese Bühne aber, um scharfe Kritik zu üben: «Ich bin eine weibliche Bürgermeisterin und ein Mensch. Männliche Bürgermeister halten die Begrüssungsrede im Kampfring. Ich hingegen muss dies jedoch auf einem eilig gebastelten Podest machen. Lieber Herren vom Sumo-Verband, hören Sie bitte nun gut zu. Dass ich als Frau die Begrüssung nicht im Kampfring machen darf, ist frustrierend und bitter.» Nakagawa bezeichnete dies zuvor als eine diskriminierende Praxis.
Sumo in der Negativspirale
Der Sumo-Sport kommt zurzeit nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Wettskandale, Korruption und wiederholte Gewaltaktionen erschüttern ihn. Zuletzt trat Grossmeister Harumafuji zurück, nachdem er einen Nachwuchs-Ringer in einer Bar verprügelt hatte. Und nun droht der Sport noch die Frauen zu verlieren. So gibt es unter den Zuschauern nicht nur Männer, ganz im Gegenteil. Die Frauen sind ein wichtiger Teil der Fan-Basis.
Es ist nicht das erste Mal, dass den Frauen das Betreten des Rings nicht gestattet wurde. Bereits der ersten japanischen Kabinettssekretärin, Mayumi Moriyama, wurde 1990 nicht erlaubt, den Ring zu betreten, um eine Trophäe zu überreichen. 2000 erlebte Osakas Gouverneurin Fusae Ota dasselbe Problem. Nun stellt man sich in Japan die Frage, ob man dereinst auch einer Premierministerin den Gang auf die Bühne verweigern würde.
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