«I love yu»: Ein japanisches Badehaus als Kunstwerk
Japans Kultur der öffentlichen Badehäuser reicht bis in die Kamakura-Zeit (1185 bis 1333) zurück. Sentō nennen sich diese Orte. Diese waren traditionell das Badezimmer der Japaner und ein Treffpunkt im Quartier. In den Nachkriegsjahren, als kaum jemand ein eigenes Bad zu Hause hatte, erlebten sie ihre Boom-Zeiten. 1965 gab es über 22’000 Sentō in Japan. Als mit dem aufkommenden Wohlstand das Badezimmer in den eigenen vier Wänden zum Standard wurde, begann der schleichende Niedergang dieser Institutionen. Heute gibt es noch rund 5000 Badehäuser im ganzen Land (Asienspiegel berichtete).
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Mit Neubauten, aufwendigen Renovationen und Neuinterpretationen versucht man dieser Institution nun aber neues Leben einzuhauchen. Stellvertretend dafür steht das Badehaus «I love yu» auf der Kunstinsel Naoshima («yu» bedeutet auf Japanisch «heisses Wasser»). 2009 wurde es inmitten des Mianoura-Viertels gebaut, nur 2 Gehminuten vom Hafen entfernt. Entworfen hat es der Künstler Shinro Ohtake, der sich mit seinen wilden Collage-Büchern einen Namen gemacht hatte. Und genau im Stil dieser «Scrapbooks» gestaltete er auch das Badehaus.
Badehaus und Kunstwerk zugleich
Bereits das Äussere mit den Palmen, Neonlichtern, der Silhouette einer nackten Frau über dem Eingang, den bunten Kacheln und dem kleinen Haus auf dem Badehaus ist ein Blickfang. Alte Fotos und Plakate zieren derweil die Wände der Garderoben. Selbst die Toilette ist kunstvoll bemalt.
Im Bad thront eine riesige Elefantenstatue auf einer weissen Mauer, die den Männer- vom Frauenbereich trennt. Eine Wandmalerei mit einer Muscheltaucherin heisst die Gäste willkommen. Der Boden des Bades ist tapeziert mit Bildern erotischer Shunga-Farbholzschnitten (Asienspiegel berichtete), Fotos und zeitgenössischen Malereien. Und selbst der Verkaufsautomat im Eingangsbereich bietet so einige Überraschungen (siehe Fotos unten). Shinro Ohtake hat aus diesem Badehaus eine kunstvolle Collage gemacht, es ist ein nackt begehbares Kunstwerk und zugleich ein Ort, der für die Einwohner wie auch für die Inselbesucher gleichermassen offensteht.
Naoshima: Die Vermächtnis eines Mannes
Finanziert wurde das Badehaus von der Fukutake Foundation, die von Soichiro Fukutake gegründet wurde. Der 73-Jährige Milliardär übernahm 1986 von seinem Vater das Verlagshaus Fukutake Publishing und machte daraus den Bildungskonzern Benesse Holdings, der heute unter anderem die Berlitz-Sprachschule besitzt. Naoshima, Teshima und Inujima sind sein Vermächtnis.
Zusammen mit dem Star-Architekten Tadao Ando erschuf er in den vergangenen dreissig Jahren aus diesen abgelegenen Orten in der Seto-Inlandsee, die einst von der Schwerindustrie in Besitz genommen wurden, blühende Kunstinseln (Asienspiegel berichtete). Soichiro Fukutake setzte damit eine Vision seines Vaters Tetsuhiko Fukutake um.
Das Bennesse House Museum, das in den Berg gebaute Chichu Art Museum, das Teshima Art Museum oder der gelbe Kürbis von Yayoi Kusama sind nur einige Beispiele, die heute international ausstrahlen. Finanziert werden diese Grossprojekte von der Fukutake Foundation und dem Benesse-Konzern selber. Und so entstehen hier im Jahresrhythmus neue Kunstprojekte – wie zum Beispiel das «I Love Yu».
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