Die Notfallfunktion im Shinkansen-Sitz
Der Shinkansen ist nicht nur schnell, er bietet auch viel Komfort. Selbst in der Normalklasse hat man als Passagier viel Beinfreiheit. Die Sitzreihen lassen sich sogar mit einem einfachen Handgriff um die eigene Achse drehen. Und sie bieten auch einen bislang unbekannten Schutz im Notfall. Denn die dicken Polstersitzflächen lassen sich problemlos von der Sitzhalterung entfernen. Diese Funktion, die eigentlich dem Putzpersonal (Asienspiegel berichtete) das zügige Ersetzen dreckiger Sitze erlaubt, wurde diese Woche zu einem lebensrettenden Schutz.
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Am 9. Juni kam es in einer morgendlichen Fahrt im Shinkansen von Tokio nach Osaka zu einem Amoklauf. Ein 22-jähriger Passagier stach mit einem Messer auf seine zwei Sitznachbarinnen ein. Als ein 38-jähriger Mann einschritt, wurde dieser mit mehreren Stichen getötet. Die Frauen konnten verletzt flüchten. Am Bahnhof Odawara, wo der Shinkansen einen Notstopp einlegte, stellte sich der Täter. Er sei frustriert gewesen und es hätte jeder sein können, gab der Täter später der Polizei zu Protokoll, wie die Nikkei Shimbun berichtet.
Während des Angriffs kam es zu Panik im Zug. Die Passagiere begannen, in andere Wagen zu flüchten. Ein Zugführer reagierte prompt und forderte die Passagiere auf, die Sitzpolster als Schutzschilder zu nutzen, wie die Asahi Shimbun berichtete. Zahlreiche Personen folgten dieser Aufforderung. Der Notfallplan des Bahnbetreibers JR Central sieht tatsächlich vor, dass das Bahnpersonal sich mit den lösbaren Sitzpolstern im Falle eines Angriffs schützen soll. Den gewöhnlichen Passagieren war diese Funktion bislang kaum bekannt. Andere Bahnbetreiber haben nun angekündigt, die Sitzpolster ebenfalls in ihre Notfallpläne aufzunehmen.
Sicherheitsmassnahmen im Shinkansen
Es handelte sich um den schwersten Zwischenfall in einem Shinkansen seit der Selbstverbrennung eines Mannes im Jahr 2015 (Asienspiegel berichtete). Damals wurden die Sicherheitsmassnahmen in den Shinkansen-Zügen, die in ihrer über 50-jährigen Geschichte nie einen Unfalltoten zu beklagen hatten, verstärkt. Seither sind in allen Wagen Sicherheitskameras installiert. Das Bahnpersonal hat zudem das Recht, bei Verdacht das Gepäck der Passagiere zu kontrollieren.
Nach dem jüngsten Vorfall ist die Einführung allgemeiner Gepäckkontrollen wie in den Flughäfen wieder ein Thema. Bei täglich fast 500‘000 Passagieren und fast 250 Verbindungen auf der Tōkaidō-Shinkansen-Strecke zwischen Tokio und Osaka scheint diese Massnahme jedoch wenig realistisch zu sein. Sicher ist, dass die Bahnbetreiber reagieren werden. Denn die Sicherheit steht seit der Einführung des Shinkansen an oberster Stelle.
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