Verfolgte Geishas

In Tokio und im Rest der Welt nennt man sie Geisha, in Kyoto spricht man von Geiko. Und wenn sie noch in der Ausbildung sind, nennt man sie in der alten Kaiserstadt Maiko. Ihre weisse Schminke, der hochgesteckte Haarknoten und der elegante Kimono sind ihre Markenzeichen. Sie sind Unterhaltungskünstlerinnen für die Schicht der Vermögenden aus Wirtschaft und Politik. Der Tanz, die Musik, die Teezeremonie und die Konversation beherrschen sie in Vollendung. Dafür ist ein jahrelanges Training notwendig. Aktiv sind sie hauptsächlich in den Teehäusern («ochaya») des Viertels Gion in Kyoto, wo noch rund 2000 aktiv sind.
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Keine anderer Beruf ist so sagenumwoben und geheimnisumwittert. Die Geisha ist eine kulturhistorische Institution mit internationaler Ausstrahlung. Keine andere Person beflügelt die Fantasie der Ausländer derart stark. Es verwundert daher nicht, dass täglich Tausende von Touristen Gion aufsuchen, in der Hoffnung einer Geiko oder Maiko zu begegnen und womöglich noch ein Foto zu schiessen. Diese Faszination ist verständlich, doch hat sie inzwischen groteske Züge angenommen, wie ein Bericht des japanischen Morgenfernsehens zeigt (siehe Tweet unten). Darin ist zu sehen, wie die Touristen für das ultimative Foto regelrecht Jagd nach den Geishas machen und dabei jeglichen Anstand verlieren. Eine Tourismusverantwortliche der Stadt hat diesen Fernsehbeitrag auf Twitter hochgeladen. Sie macht für diesen Zustand hauptsächlich die Personen und Unternehmen dafür verantwortlich, die sogenannte «Geisha Spotting»-Touren anbieten. Es sei in dieser Hinsicht mehr Rücksicht gefordert. Die Geikos seien keine öffentlichen Besichtigungsobjekte.
Das Problem ist nicht neu. Bereits 2016 hat das Viertel Tafeln aufstellen lassen, die die Besucher ummissverständlich zu besserem Benehmen auffordern (Asienspiegel berichtete). Anhand einfach verständlicher Illustrationen werden den Touristen fünf Verbote erklärt: «nicht herumsitzen», «nicht rauchen», «keine Selfie-Sticks verwenden», «nicht essen» und «nichts wegwerfen» – und «keine Geisha anfassen» (siehe Foto unten). Letzteres Symbol nimmt sogleich auch die erste und prominenteste Stelle auf der Verbotstafel ein. Die Wirkung der Tafel hält sich aber offensichtlich in Grenzen.
Der Tag des offiziellen Geisha-Spottings
Dabei gäbe es durchaus die Möglichkeit, Geishas in Gion ganz offiziell auf der Strasse zu bewundern. Jeweils an Hassaku, der im August den Beginn der Erntezeit markiert, sieht man die Geikos und Maikos in formellen Kleidern gemeinsam von Teehaus zu Teehaus ziehen, um dem Besitzern ihren Dank auszusprechen (Asienspiegel berichtete). An diesen Tagen werden Fotografen und Touristen geduldet. Aus sicherer Distanz haben sie jeweils die Gelegenheit, diesen elegante Auftritt der Geikos fotografisch festzuhalten.


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